Sonntag, 4. Mai 2008

L'Italiana in Algeri in Zürich


Kaum ins Opernstudio eingetreten, wurde der mexikanische Tenor Javier Camarena mit der anspruchsvollen Rolle des Lindoro betraut. Das Publikum war an der Premiere von seiner Leistung begeistert und durfte der Geburt eines neuen Sterns am Tenorhimmel beiwohnen. Bis 29. Mai 2007

Premiere: 22. April 2007

L`Italiana in Algeri
Dramma giocoso in zwei Akten
Musik: Gioacchino Rossini
Libretto : Angelo Anelli
Uraufführung: 22. Mai 1813 in Venedig
Aufführungen in Zürich vom 22.4.07 – 29.5.07

Kritik: (SK) Schnell und leichtfüssig pflegte Rossini zu komponieren. Doch die Leichtfüssigkeit fällt den Protagonisten dieser Neuinszenierung schwer. Ständig drückt der Schuh (ein „running gag“ dieser Inszenierung), sie fühlen sich sichtlich unwohl in ihrer Rolle und in ihrer Verkleidung in Mustafas Varieté am Strand. Dies gilt für den Sklaven Lindoro, der hier einen Schuhputzer darstellt, für die im Kreuzfahrtschiff angereiste italienische Diva Isabella und die von Mustafa verstossene Ehefrau Elvira, die bei ihrer erzwungenen Abreise gleich einige Koffer voller Schuhe mitschleppt, wie seinerzeit Imelda Marcos. Doch trotz schmerzenden Füssen entwickelt sich in der von Luigi Perego entworfenen Art déco Bar ein temporeiches, witziges Spiel. Schade nur, dass die Drehbühne immer wieder störend laut knarrt. Dies kann wohl kaum Absicht gewesen sein…
Regisseur Cesare Lievi setzt auf den altbewährten Kniff des Theaters auf dem Theater und das Konzept geht weitgehend auf. Das Thema – die Konfrontation westlicher Kultur mit dem Islam, das Machogehabe Mustafas, Halys und Taddeos – würde zwar Spielflächen für tiefsinnige Interpretationen bieten, doch Lievi geht diesen Verlockungen zu Recht aus dem Weg, da weder Rossini noch sein Librettist diese Tiefgründigkeit ins Werk einfliessen liessen. Dafür waren die beiden noch zu stark der alten Commedia dell`arte verhaftet, deren Figurinen in der Entourage von Isabella in den herrlich grellen Kostümen von Marina Luxardo auch auftauchen. Lievi setzt die turbulente Handlung temporeich und zum Gaudi des Publikums in Szene, lässt sehr akkurat zur Musik agieren. Witzige Einfälle sind zuhauf zu erleben, vom vorbeischwimmenden Hai bei der Ankunft des Kreuzfahrtschiffs bis zu Mustafas Schaumbad in der Luxuswanne, vom Putzen der Schuhe seines Schuhputzers durch Mustafa (um ihn zur Heirat mit seiner Gattin zu überreden) bis zu den Kastrationsängsten Taddeos, als er von Haly gefangen genommen wird.
Die zum Teil grotesken Kostüme von Frau Luxardo, ganz in den Farben Italiens gehalten – grün, weiss, rot – dazu das azur der italienischen Gefangenen, fügen sich prächtig ins Konzept dieser Inszenierung ein. Köstlich, wie sich Isabella zur Arie „Pensa alla patria“ aus ihrem azurblauen Umhang in die Farben der italienischen Flagge enthüllt!
Kaum ins Opernstudio eingetreten, wurde der mexikanische Tenor Javier Camarena mit der anspruchsvollen Rolle des Lindoro betraut. Das Publikum war von seiner Leistung begeistert und glaubte wohl, der Geburt eines neuen Sterns am Tenorhimmel beizuwohnen. Und tatsächlich: Er verfügt über eine wunderbar biegsames Organ von schönster Strahlkraft und grosser Differenzierungsfähigkeit. Wahrlich ein Versprechen für die Zukunft. Bleibt nur zu hoffen, dass diese prächtige Pflanze sorgsam gehegt und gepflegt wird und im gnadenlosen Musikbusiness nicht vorzeitig welkt!
Die Titelrolle war dem grossen Mezzostar Vesselina Kasarova anvertraut worden. Leider flüchtete sie sich im ersten Akt oft in unnötige Manierismen (ritardandi, Stimme eindunkeln, abrupte piani), so dass ihre zweifellos grossartigen vokalen Möglichkeiten etwas allzu Gekünsteltes erhielten. Bravourös hingegen dann ihre schwierige Koloraturarie „Pensa alla patria“, die sie mit einem fulminanten Schlusston beendete. Mustafa hätte eigentlich an der Premiere von Ruggiero Raimondi gesungen werden sollen, er hatte jedoch andere Verpflichtungen, und so sprang die Zweitbesetzung, Carlo Lepore ein. Nach etwas rauem Beginn gewann seine Stimme im Laufe des Abends zusehends an Geschmeidigkeit und er überzeugte auch durch ein augenzwinkerndes Spiel.
Taddeo war bei Carlos Chausson bestens aufgehoben, ein Bassbuffo par excellence.
Rossinis komische Opern leben von bestens eingespielten Ensembles. Die meisten davon gelangen sehr spritzig (Pappataci Terzett, Niesquartett); allerdings könnte man sich das geniale Aktfinale des ersten Aktes, wo sich die Worte gleichsam atomisieren und von den sieben Sängern nur noch Silbenfetzen zu vernehmen sind, noch eindringlicher und zwingender vorstellen. Christiane Kohl als Elvira fehlte leider die Strahlkraft, um mit ihren hohen Cs diesem Bravourstück die notwendige Würze zu verleihen.
Ein grosses Lob verdient das Orchester der Oper Zürich (insbesondere die Holzbläser), die das Sängerensemble einfühlsam stützten und begleiteten. Paolo Carignani am Pult beeindruckte durch klug dosierte Rossinische Crescendi und überraschende Akzente im Vorspiel, die beinahe verborgene Orientalismen in der Musik wunderbar hörbar machten.

Fazit: Ein unterhaltsamer Spass für die ganze Familie. Entdeckung einer Tenorhoffnung.

Synopsis: Der Bey von Algier, Mustafa, ist seiner Gemahlin Elvira überdrüssig geworden und will sie mit seinem italienischen Sklaven Lindoro verheiraten. Der Pirat Haly soll ihm eine feurige Italienerin beschaffen. So kommt Isabella, die übrigens die Geliebte Lindoros ist, zusammen mit ihrem hartnäckigen Verehrer Taddeo in den Palast Mustafas. Isabella durchschaut die Situation am Hofe des Beys sehr schnell und beginnt ihr intrigantes Spiel. Es entsteht ein Wirrwarr, in dem niemand mehr weiss, wer zu wem gehört und wer was will.
Isabella und Lindoro planen ihre Flucht. Isabella bezirzt Mustafa, der ihr natürlich auf den Leim geht. Sie verleiht ihm einen Trottel-Orden (Pappataci, pappare-tacere = schlemmen und schweigen), der ihm diese Tätigkeiten auferlegt. Während Mustafa diese „Tugenden“ fleissig übt, gelingt dem Liebespaar die Flucht. Der Überlistete kehrt reumütig zu seiner Gattin Elvira zurück.

Musikalische Höhepunkte: Unübertroffen das Finale des 1.Aktes, fulminante Lautmalerei, gespickt mit den hohen Cs von Elvira. – Isabellas Kavatine „Per lui que adoro“ im 2. Akt – Das groteske Pappataci-Terzett im 2. Akt – Isabellas Arie „Pensa alla patria“ im 2. Akt – Die Kavatinen Lindoros „Languir per una bella” und „Oh, come il cor“

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