Sonntag, 4. Mai 2008

Intermezzo in Zürich



Selten aufgeführte Ehekomödie, viele amüsante und musikalisch raffinierte Intermezzi im INTERMEZZO... Brillante Christiane Kohl!

Premiere: 9. März 2008

Bürgerliche Komödie in zwei Aufzügen und sinfonischen Zwischenspielen
Musik: Richard Strauss
Libretto: vom Komponisten
Uraufführung: 4. November 1924, Schauspielhaus, Dresden
Aufführungen in Zürich vom 9.März bis 2. April 2008

Kritik:
Voyeuristische Tendenzen stecken wohl in jedem von uns, gerne ergötzt man sich an den Problemen anderer, geniesst den Blick in das Wohn- und vor allem das Schlafzimmer des Nachbarn. Nicht zuletzt die Offenlegung einer privaten Ehekrise verhalf dieser Oper von Richard Strauss zu kurzer Popularität. Doch nachdem die Neugierde des Publikums gestillt war, geriet das Werk beinahe in Vergessenheit. Das Inszenierungsteam dieser Produktion in Zürich, Regisseur Jens-Daniel Herzog und sein Ausstatter Mathis Neidhardt, bohren tiefer. Sie stellen die Frau, Christine, in den Mittelpunkt der hölzernen Drehscheibe. Auf dieser entblösst sie ihr Innerstes, beobachtet von uns Zuschauern, aber auch von den Skatfreunden ihres Mannes, die durch Schlitze in den Plakaten ihres berühmten Gatten hinter die Fassade dieser nur nach aussen perfekten Ehe blicken dürfen, fast wie beim Stützli-Sex…
Und wie Christiane Kohl diese Selbstentblössung zelebriert, ist schlicht grossartig. Von der keifenden Xanthippe des Beginns zur frustrierten Gattin eines berühmten Kapellmeisters, von den zarten Annäherungen an den Gigolo Baron Lummer zur tyrannischen Hausherrin, von der Träumerin zur fast in Medea-Nähe geratenden Rächerin durchschreitet die Sängerin mit ihrer perfekt sitzenden Stimme alle Facetten dieser mörderischen Partie. In den – aus der Perspektive des Zuhörers – viel zu kurz geratenen Ariosi blüht ihr Sopran herrlich auf und beglückt uns mit dem typisch Strauss’schen Silberklang.
Die Partie ihres Gatten, der nur zu Beginn unsere Sympathien hat, ist beim gut aussehenden Rodney Gilfry in besten Händen. Schön, ihn wieder einmal in Zürich erleben zu dürfen. Roberto Saccà gibt den Möchtegern Playboy Baron Lummer mit viel Witz und vorbildlicher Diktion, eine Luxusbesetzung für eine doch eher kleine Partie. Martina Welschenbach überzeugt als resolute Anna.
INTERMEZZO lebt musikalisch vor allem von den raffiniert orchestrierten Zwischenspielen, in denen Strauss aus dem Vollen schöpfen konnte. Diese verbinden die einzelnen Szenen und die Regie setzt sie erfindungsreich um. Die Drehbühne mit dem halben, rotierenden Zylindermantel bietet dazu beinahe filmische Möglichkeiten des Aus- und Überblendens. In Erinnerung bleiben die alkoholschwangere Luft in der Après-Ski Bar mit trunken melancholischer Stimmung, die Rodelszene, der im Dirnenmilieu herumirrende Robert, Christine und Anna beim Packen vor der Abreise und vor allem das eindrückliche Schlussbild. Die Versöhnung findet zwar in gleissendem Fis-Dur in der Musik statt, doch die Eheleute setzen sich weit voneinander entfernt an einen langen Tisch, er isst und studiert bereits die nächste Partitur, sie sitzt resigniert am anderen Ende – das Licht wird eiskalt, so wie die Gefühle der beiden Eheleute zueinander. Damit gibt uns der Regisseur einiges zum Nachdenken mit auf den Heimweg.
Viel Jubel für Interpretinnen und Interpreten, für das grossartig aufspielende Orchester der Oper Zürich, das die immens schwierige Partitur unter der Leitung von Peter Schneider eindrücklich zum Klingen brachte und für die kongeniale Regie und den Ausstatter.
Einmal mehr blieben erstaunlich viele Plätze leer. Lag es am Opernball, der in der Nacht vor dieser Premiere im Haus stattfand oder an der mangelnden Neugier zahlreicher Abonnenten?

Fazit:
Eine Komödie mit Tiefgang, angereichert mit wunderbaren orchestralen Intermezzi.

Werk:
Strauss wollte den mythisch verklärten grossen Wurf der FRAU OHNE SCHATTEN mit der bürgerlichen Variante des Ehedramas in INTERMEZZO konterkarieren. Hofmannsthal und Hermann Bahr verweigerten dazu die Gefolgschaft, so verfasste der Komponist das Libretto selbst und griff dabei auf ein autobiographisches Ehe-Intermezzo und erotisches Verwirrspiel zurück. Strauss nahm dabei eine Kompositionstechnik vorweg, die später als „Neue Sachlichkeit“ in der Musikgeschichte Einzug hielt. Kurze Szenen im Konversationston werden durch sinfonische Zwischenspiele verbunden, die zeitraffende Funktion haben und an Techniken erinnern, die auch von Filmemachern verwendet werden. Vier dieser Intermezzi hat Strauss später zu einer Konzertsuite zusammengestellt, die auch vielfach eingespielt wurde. Ansonsten fristet die Oper ein Mauerblümchendasein, dessen Schönheit und Originalität es nun wieder zu entdecken gilt.

Inhalt:
Hofkapellmeister Robert Storch muss zu einem Engagement nach Wien. Die Reisevorbereitungen führen zu – offensichtlich üblichen – Reibereien mit seiner Frau Christine. Nach seiner Abreise freundet sich Christine mit dem Baron Lummer an, den sie beim Wintersport kennen lernt. Sie will ihrem Mann einen Empfehlungsbrief für den jungen Mann schreiben, weist Lummer aber schnöde ab, als dieser sie anpumpen will. Völlig ausser sich gerät sie, als die Post den schlüpfrigen Brief einer gewissen “Mieze Meier” an ihren Mann bringt. Christine reicht per Telegramm an ihren Mann umgehend die Scheidung ein.
Storch sitzt mit Freunden beim Skat. Christines Telegramm trifft ein. Storch ist fassungslos, ahnt aber nach einiger Zeit die Verwechslung. Mieze hat die beiden Kapellmeister Storch und Stroh verwechselt. Stroh muss den Irrtum aufklären – Versöhnung im Hause Storch. Aber ist die Ehe wirklich wieder im Lot???

Musikalische Höhepunkte:
Sinfonische Intermezzi: Reisefieber, Walzerszene, Träumerei, Skatspiel, Fröhlicher Beschluss
Christines Träumerei, Ein hübscher Mensch,Akt I
Versöhnung der Eheleute, verklärendes Fis-Dur Finale, Akt II

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