Sonntag, 4. Mai 2008

Cassandra / Elektra in Berlin



Eine lohnende Ausgrabung und ein Meisterwerk an einem Abend!

Premiere: 3. November 2007

CASSANDRA:
Tragödie in einem Akt
Musik: Vittorio Gnecchi
Libretto: Luigi Illica und Vittorio Gnecchi
Uraufführung: 5. Dezember 1905 in Bologna

ELEKTRA:
Tragödie in einem Aufzug
Musik: Richard Strauss
Text: Hugo von Hofmannsthal
Uraufführung: 25. Januar 1909 in Dresden

Vorstellungen in Berlin:
Beide Werke zusammen: 8. und 16. November 2007, 19. Januar 2008
ELEKTRA alleine: 1. und 14. Dezember 2007 und 8. Februar 2008

Kritik: (SK) Nach einigen umstrittenen Premieren in der letzten Spielzeit durfte die Deutsche Oper Berlin mit der Premiere von CASSANDRA / ELEKTRA endlich wieder für positive Schlagzeilen sorgen. Intendantin und Regisseurin Kirsten Harms ist es erstens zu verdanken, dass Vittorio Gnecchis meisterhafte Oper CASSANDRA der Vergessenheit entrissen wurde. Sie trägt viel zum Verständnis der ELEKTRA bei, erzählt sie doch quasi deren Vorgeschichte. Zweitens zeigte Frau Harms eine kluge, unaufdringliche und doch sehr emotionale Inszenierung der Atridensage. Bei CASSANDRA blieb wohl kaum ein Auge im Saal trocken, als die Musik sich so wunderbar aufschwang und Klein-Elektra ihren Vater Agamemnon (vortrefflich: Gustavo Porta) daran zu hindern suchte, mit ihrer Mutter in den Palast zu gehen, wo ihn das rächende Beil erwartete. Am Schluss sass das Kind im Korkgranulat-Morast, die Leiche ihres Vaters wurde aus dem Fenster in den Hof gekippt. Genau dort setzte nach der Pause ELEKTRA ein. Die nun erwachsene Frau liegt noch immer im Morast und ruft nach ihrem Vater.
Gnecchis Oper ist musikalisch ganz dem Stil des Verismo verhaftet, geht harmonisch weitaus weniger weit als Elektra, ja sie neigt auch zum Süsslichen – und doch ist sie wunderschön und sehr emotional.
Grosse Sängerinnen trugen zum triumphalen Erfolg des Abends bei: Susan Anthony (Klytämnestra)und Margozata Walewska (Cassandra)in CASSANDRA; Jeanne Michèle Charbonnet (Elektra, sauber gesungen, die Kräfte klug eingeteilt, doch ab und an wäre etwas mehr Volumen wünschbar gewesen), Manuela Uhl (Chrysothemis, die Entdeckung des Abends!) und Jane Henschel (Klytämnestra) in ELEKTRA. Dazu Reiner Goldberg als Orest (kurzfristig eingesprungen und sehr überzeugend) und Alfred Walker als stimmschöner Orest und auch als Il Prologo in CASSANDRA. Leopold Hager dirigierte mit kluger Disposition und sehr sängerfreundlich. Die begeisternden Chorszenen in CASSANDRA wurden eindrücklich gesungen vom Chor der Deutschen Oper Berlin.

Fazit: Wer die Gelegenheit dazu hat, sollte sich diesen spannenden Abend nicht entgehen lassen. Berlin ist schnell zu erreichen, die Karten im Vergleich zum Opernhaus Zürich sehr preiswert!

Musikalische Höhepunkte:
CASSANDRA: Der Prolog, die Arien der Klytämnestra, des Agamemnon und der Cassandra.
ELEKTRA: Szene Klytämnestra-Elektra “Ich habe keine guten Nächte”
Die Szenen der Chrysothemis

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