Alle Fotos: suzanne schwiertz, mit freundlicher Genehmigung opernhaus Zürich
Premiere: 13. Dezember 2009
Oper in drei Akten
Musik: Richard Strauss
Text: Hugo von Hofmannsthal
Uraufführung: 10. Oktober 1919 in Wien
Aufführungen in Zürich:
Musik: Richard Strauss
Text: Hugo von Hofmannsthal
Uraufführung: 10. Oktober 1919 in Wien
Aufführungen in Zürich:
Kritik:
Fazit:
Mit einer musikalisch auf so hohem Niveau stehenden und szenisch zumindest in den ersten drei Stunden spannungsgeladenen, mitreissenden Aufführung wird einmal mehr klar, dass der Theaterpraktiker Richard Strauss keine Note zuviel geschrieben hat.
Werk: Bis weit in den dritten Akt hinein war man gestern Abend in Zürich überzeugt, eine der stringentesten, dramaturgisch schlüssigsten Inszenierungen von Richard Strauss’ komplexer Oper DIE FRAU OHNE SCHATTEN erleben zu dürfen. Doch leider wartete das Inszenierungsteam (Regie: David Pountney, Bühne: Robert Israel, Kostüme: Marie-Jeanne Lecca) mit einem unsäglichen Schlussbild auf, einer Mischung aus Kindergeburtstagsfest und und Religionskitsch. Selbst die böse Tante Amme kommt mit dem grossen Suppentopf zur Speisung der 5000 (oder so). Schon zu Beginn des dritten Aktes, als die beiden Paare in Mänteln (welche halb Röntgenbild, halb Turiner Grabtuch darstellten) ihre Prüfungen durchleiden mussten, fragte man sich, welche Kostüme wohl darunter verborgen sein werden. Nun, das Ablegen der Mäntel hätte man dem Publikum ersparen können, die zum Vorschein kommenden Alltagskleider waren an Grässlichkeit nicht mehr zu überbieten. Mit der Holzhammermethode und desillusionierender Bühne (ziemlich ausgelutschter Effekt) wollte Pountney wohl den Zuschauern klarmachen, dass er das wertkonservative, reaktionäre Weltbild, welches Strauss und Hofmannsthal in der Oper propagieren, nicht teilt, sondern dass alle Menschen in ihrem Streben nach Glück und Fortpflanzung gleich, die Klassenunterschiede aufgehoben sind.
Von solcher Überzeichnung war in den ersten beiden Akten nichts zu spüren, sie lebten von einer spannenden, ganz aus dem Text heraus entwickelten Personenregie. Die Geisterwelt war mit vielen Assoziationen an den Surrealismus eines Max Ernst und an die gefiederte Fauna ausgestattet, das in einem habsburgischen Ambiente lebende Kaiserpaar huldigte der Jagd und dem Luxus, während die einfachen Färbersleute in ihrem Betrieb auf Kinderarbeit angewiesen waren, um über die Runden zu kommen. Sehr anschaulich dargestellt wurde dann die Konfrontation der in ihrer Scheinwelt lebenden Kaiserin mit den einfachen Verhältnissen, in welchen die Menschen der unteren Schichten zu existieren hatten. Eindringlich zeigte sie ihr sich stetig weiter entwickelndes Mitgefühl, während die Amme ihren verächtlichen Ekel vor dieser Armut, aus der sie wohl einst selbst aufgestiegen war, kaum verhehlen konnte. Hier wurden eindringlich angelegte Charakterstudien entworfen. Beklemmend auch die Darstellung der Färberin, ihr Widerwille gegen eigene Kinder, deren potentielles, tristes Schicksal sie in der grandiosen Fischlein-Szene voraussah, ihre Verführbarkeit durch billigen Varieté-Klamauk.
Dieser falsche Tand und die heuchlerischen Wahrsagungen der Amme hatten gegen die aufkeimende Empathie der Kaiserin keine Chance, vor den Augen des von der Amme vergebens zu Hilfe gerufenen Geisterboten obsiegte die Liebe, und der trügerische Zauber löste sich in einer gegen ihn gerichteten, äusserst bühnenwirksamen Implosion auf. In einer zerstörten, nahezu versteinerten Welt begannen dann die Prüfungen des dritten Aktes.
Drei der fünf Protagonisten wagten sich an diesem Abend an ein Rollendebüt: Birgit Remmert war eine durch eindringliche Mimik und ausdrucksstarken Gesang beängstigend heimtückische Amme. Die lange Vorbereitungszeit, welche sie in das Studium dieser rätselhaften Gestalt investiert hatte, hat sich gelohnt. Hier reift eine der grossen Darstellerinnen dieser ungemein schwierig zu interpretierenden Rolle heran.
Roberto Saccà beeindruckte in der hohen Tessitura des Kaisers mit wunderbar weichem Tonansatz, schmeichelnder Höhe und belcantistischer Phrasierung. Wohl vermochte sich sein heller Tenor nicht immer restlos gegen die Klangwogen durchzusetzen, doch ist diese auf runder Tongebung basierende Gestaltung einem forcierten Hochstemmen bei weitem vorzuziehen. Dem Gutmenschen Barak hat Strauss die einschmeichelndsten Melodien überlassen, Michael Volle kostete sie mit seinem warmen, differenziert eingesetzten, satten Bariton aufs Wunderbarste aus. Er scheint über unendlichen Atem für die zum Teil langen (und vom Dirigenten auch in getragenen Tempi dirigierten) Phrasen zu verfügen. Herr Volle zeigte einfühlsam, wie dieser sanftmütige Mann unter der ständigen Zurückweisung durch seine Frau leidet, wie dieser Leidensdruck schliesslich kaum mehr auszuhalten ist und in brutale Aggression umzuschlagen droht.
Roberto Saccà beeindruckte in der hohen Tessitura des Kaisers mit wunderbar weichem Tonansatz, schmeichelnder Höhe und belcantistischer Phrasierung. Wohl vermochte sich sein heller Tenor nicht immer restlos gegen die Klangwogen durchzusetzen, doch ist diese auf runder Tongebung basierende Gestaltung einem forcierten Hochstemmen bei weitem vorzuziehen. Dem Gutmenschen Barak hat Strauss die einschmeichelndsten Melodien überlassen, Michael Volle kostete sie mit seinem warmen, differenziert eingesetzten, satten Bariton aufs Wunderbarste aus. Er scheint über unendlichen Atem für die zum Teil langen (und vom Dirigenten auch in getragenen Tempi dirigierten) Phrasen zu verfügen. Herr Volle zeigte einfühlsam, wie dieser sanftmütige Mann unter der ständigen Zurückweisung durch seine Frau leidet, wie dieser Leidensdruck schliesslich kaum mehr auszuhalten ist und in brutale Aggression umzuschlagen droht.
Bewährte Interpretinnen ihrer Rollen sind Emily Magee als Kaiserin und Janice Baird als Färberin. Frau Magee gestaltete die Menschwerdung der Kaiserin, welche in ihrer wunderschönen Szene Vater bist du’s gipfelt, dermassen ergreifend, dass dem Rezensenten die Superlative zu fehlen drohen. Sowohl mit zarten, warmen, als auch mit herrlich an- und abschwellenden, gleissenden Tönen wurde diese Frau gleich Parsifal „durch Mitleid wissend“.
Die mit ihrem ausweglos scheinenden, tristen Schicksal hadernde Färberin wurde von Janice Baird aufwühlend gestaltet. Ihre Stimme kann zwar schneidend klingen, wird aber nie schrill oder keifend. Die widersprüchlichen Gefühlsregungen dieser leidgeprüften Frau liessen sich in ihrem Gesicht wie in einem offenen Buch ablesen. Ihr gelang eine darstellerisch und gesanglich überaus reife Leistung. Im letzten Akt vereinigten sich die (räumlich noch getrennten) Stimmen von Michael Volle und Janice Baird zu einem der fesselndsten Augenblicke des grandiosen Abends.
Luxuriös besetzt waren die Dienerinnen/Kinderstimmen mit den Damen Guo, Olvera, Friedli, Schlosser, Lehmkuhl (auch als Stimme von oben) und Grobholz. Sandra Trattnigg lieh dem Falken und dem Hüter der Schwelle ihre schöne Sopranstimme, während Beate Vollack virtuos die akrobatischen Aktionen des treuen Vogels ausführte. Reinhard Mayr war ein solider Geisterbote auf Stelzen, Valeriy Murga, Andreas Hörl und Martin Zysset verliehen Baraks Brüdern Profil, Peter Sonn gelang als Erscheinung des Jünglings beinahe die Verführung der Färberin.
Das Orchester der Oper Zürich durfte noch einmal eine Neueinstudierung unter seinem ehemaligen GMD, Franz Welser-Möst, präsentieren. Der beinahe unerschöpfliche Farbenreichtum der schwierigen Partitur erklang trotz aller Klangmassierungen stets transparent, wurde nie zu einem nur lärmig breiigen Chaos, die kammermusikalischen Kostbarkeiten wurden von den Solistinnen und Solisten des Orchesters makellos herausgearbeitet. Einige Passagen, wie z.B. die Schlussszene des ersten Aktes mit den Wächtern der Stadt, waren vom Tempo her etwas zu gedehnt dirigiert, die drei Männer (Bermúdez, Strazanak und Slawinski) fanden so nicht zum geforderten, runden Gesang. Doch insgesamt schuf Maestro Welser-Möst mit dem fantastischen Orchester einen dynamisch fein abgestuften, der nicht unproblematischen Akustik des Hauses angepassten, Kosmos von erfüllenden, auch die gleissenden Dissonanzen nicht scheuenden Klängen.
Fazit:
Mit einer musikalisch auf so hohem Niveau stehenden und szenisch zumindest in den ersten drei Stunden spannungsgeladenen, mitreissenden Aufführung wird einmal mehr klar, dass der Theaterpraktiker Richard Strauss keine Note zuviel geschrieben hat.
Inhalt:
Die Kaiserin, Tochter des Geisterkönigs Keikobad, einst mit der Fähigkeit sich in Tierwesen zu verwandeln ausgestattet, ist in ihrer Ehe mit dem Kaiser kinderlos geblieben, sie wirft keinen Schatten. Ihre Amme, die dem Geisterkönig treu ergeben ist und alles Menschliche hasst, erhält vom Geisterboten die Nachricht, dass der Kaiser versteinern muss, wenn die Kaiserin innert kurzer Frist keinen Schatten wirft. Die Kaiserin erfährt vom drohenden Schicksal ihres Mannes durch dessen Jagdfalken. Sie befiehlt der Amme, ihr einen Schatten zu verschaffen. Gemeinsam begeben sie sich hinunter zu den Menschen, in die ärmliche Behausung des Färbers Barak und dessen Gemahlin. Diese Ehe ist ebenfalls kinderlos, weil die Färberin sich ihrem Mann zusehends verweigert. Die Amme blendet die einfache Färbersfrau mit Zaubertricks, einem schönen Jüngling und Reichtum. Die Färberin schliesst den Pakt mit der Amme und ist bereit, ihren Schatten zu verkaufen. Die Kaiserin versteht den schlimmen Handel, hat Erbarmen mit Barak, aber nicht die Kraft einzuschreiten. Die Situation im Färberhaus eskaliert. Die Färberin kündigt ihrem Mann die eheliche Treue, der eigentlich sanftmütige Barak reagiert vehement. Doch bevor er seiner Frau körperlich zu nahe kommen kann, entgleiten der Amme die Fäden, die Erde öffnet sich und verschlingt das Färberpaar. Kaiserin und Amme können sich gerade noch retten. Nun beginnt die Zeit der Prüfungen: Das Färberpaar gelangt durch die Trennung zur Einsicht gegenseitiger Liebe, die Kaiserin ficht einen inneren Kampf mit sich aus: Einerseits will sie ihren Mann vor dem Versteinern bewahren, andererseits hat sie enormes Mitleid mit den Menschen. Dieses Gefühl ist stärker. Sie stellt sich gegen ihren Vater Keikobad: ICH WILL NICHT, der erste menschliche Schrei, den sie ausstösst, gleich einer gebärenden Mutter. Damit befreit sie Färberin und Färber und rettet ihren Mann. Die Zeit der Prüfungen ist vorbei, die Stimmen der Ungeborenen kündigen an, dass sie nicht mehr lange ungeboren bleiben werden.
Mozart (ZAUBERFLÖTE, mit ihren Prüfungen für die beiden Paare), Goethe (das Mephistophelische der Amme) und fernöstliche Symbolik standen Pate für dieses komplexe, in den immensen Anforderungen an Protagonisten, Orchester und Bühne einzigartige Werk. Von Kennern und eingeschworenen Fans wird diese farbenreiche, in ihrer verführerischen Sogwirkung einmalige Partitur salopp „FroSch“ genannt. Strauss setzte ein riesiges Orchester ein, reicherte es mit Glasharfe, Celesta und chinesichen Gongs an. Die Tonalität wird immer wieder aufgebrochen, grelle, Gänsehaut erzeugende Tutti-Effekte wechseln mit beinahe kammermusikalisch zarten Sequenzen.
Obwohl das Werk bereits 1915 beendet war, konnte die Uraufführung wegen der Wirren des ersten Weltkriegs erst 1919 stattfinden.
Musikalische Höhepunkte:
Ist mein Liebster dahin, Kaiserin, Akt I, mit gefürchteter Koloratur
Was wollt ihr hier?, Szene Färberin, Amme, Kaiserin mit dem herrlichen Aufschwung „O Welt in der Welt“ der Färberin
Falke, Falke, du wiedergefundener, Kaiser, Akt II
Es gibt derer, die haben immer Zeit, Färberin, Barak, Amme, Jüngling, Akt II
Sieh, Amme, sieh, Kaiserin, Amme, Akt II
Das Weib ist irre, Finale Akt II
Schweigt doch, ihr Stimmen – Mir anvertraut, Färberin, Barak, Akt III
Vater bist du' s?, Kaiserin, Akt III
Wenn das Herz aus Kristall - Nun will ich jubeln, Finale, Akt III. Kaiser, Kaiserin, Färber, Färberin, Stimmen der Ungeborenen
Für oper-aktuell: Kaspar Sannemann, 14. Dezember 2009
Für oper-aktuell: Kaspar Sannemann, 14. Dezember 2009
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