Samstag, 26. Dezember 2009

Berlin, Deutsche Oper: IL BARBIERE DI SIVIGLIA, 25. Dezember 2009



Melodramma buffo in zwei Akten
Musik: Gioachino Rossini
Libretto: Cesare Sterbini
Uraufführung: 20. Februar 1816 in Rom

Kritik: (besuchte Aufführung: 25.Dezember 2009)
Was macht ein Regisseur, eine Regisseurin, wenn er (sie) einem Stück nicht ganz traut oder wenig damit anzufangen weiss? Man begibt sich auf den ausgetretenen Pfad des Theaters auf dem Theater. So auch Katharina Thalbach in dieser Neuproduktion: Sie verlegt das Geschehen in einen Badeort (Sevilla al Mare, warum auch nicht, es gibt ja auch eine Milano Marittima). Eine zweitklassige Gauklertruppe führt vor gelangweilten Badegästen von einer Lastwagenbühne aus die olle Klamotte IL BARBIERE DI SIVIGLIA auf. Die ungebildeten Touris scheinen sich aber zusehends in die Commedia dell´Arte hineinzufinden, sich zu solidarisieren und ziehen sich im zweiten Akt Perücken und Rokoko Kostüme an - am Strand… Soweit so schlecht. Schlimm ist jedoch, dass die Nebenhandlungen der Pauschaltouristen, vom schwulen Quotenpärchen bis zur allein erziehenden Mutter, vehement von der eigentlichen Komödie ablenken, sie streckenweise ganz zu Fall bringen. Bereits die Ouvertüre wird durch trippelnde Nonnen (wie originell…), Oldtimer und einen echten, zugegebenermaßen sehr putzigen, Esel massiv gestört.

Die Gewittermusik geht vollständig baden. Das hat Rossinis Musik nicht verdient. Die eigentliche Handlung ist dann sehr konventionell und eher bescheiden in Szene gesetzt, wobei die spritzigen Einfälle da leider fehlen. Das Meiste verpufft in der Rahmenhandlung.
Wenigstens gab´s an diesem Abend musikalisch nicht viel zu bemängeln: Lawrence Brownlee war mit seiner schlanken, sicher und virtuos geführten Stimme und seiner darstellerischen Agilität ein ganz wunderbarer Almaviva. Die grosse und mit immensen Schwierigkeiten versehene Schlussarie sang er makellos, auch wenn hier wieder die Regiemätzchen mit dem Mikrofon und den ungelenken DSDSS - Hüftschwüngen störend wirkten. Seine Angebetete, Rosina, wurde von Ketevan Kemoklidze mit sattem, warmem Mezzzosopran gesungen. Das letzte Quentchen an Bravour (und Durchschlagskraft in den Ensembles) fehlte allerdings. Fabio Maria Capitanucci blieb, obwohl stimmlich sehr potent, als Drahtzieher Figaro im Hintergrund, von der Regie im Stich gelassen, trotz Schwebens in der Luft, gleich einer billigen Zirkusnummer. Bartolo war bei Maurizio Muraro bestens aufgehoben, aber auch hier fiel der Regie nichts wirklich Überzeugendes ein, ein bisschen Rheumatismus anzudeuten reicht nicht, um diesen Mann zu charakterisieren. Paata Burchuladze war ein solider und sonorer Basilio, welcher eine differenziert gestaltete Verleumdungsarie, jenseits von Effekthascherei, darbot. Hulkar Sabirova liess in ihrer Arie als Berta aufhorchen.
Enrique Mazzola am Pult des wunderbar leicht und sauber spielenden Orchesters der Deutschen Oper Berlin kostete mit den Musikerinnen und Musikern den Witz Rossinis gekonnt aus, war ein sehr aufmerksamer und klare Akzente setzender Dirigent.

Fazit: Hübsche Kulisse, viele mehr oder weniger lustige Gags in der Rahmenhandlung - doch wo bleibt das eigentliche Stück? Musikalisch hingegen sehr erfreulich.



Inhalt: (die Vorgeschichte zur Hochzeit des Figaro)
Graf Almaviva hat sich in das Mündel des Doktor Bartolo, Rosina, verguckt. Doch Bartolo bewacht Rosina wie seinen Augapfel, da er selbst die junge Schönheit heiraten möchte. Mithilfe des käuflichen Intriganten und Barbiers der Stadt, Figaro, gelingt es Almaviva, den trotteligen Doktor hereinzulegen, und Rosina zu ehelichen.
(Dass diese Ehe dann nicht nur glücklich ist, erfährt man in Mozarts LE NOZZE DI FIGARO…)

Werk:
Rossinis Meisterwerk ist bei der Uraufführung NICHT durchgefallen, wie immer wieder gerne kolportiert wird, sondern es fiel einer Intrige zum Opfer: Anhänger des Komponisten Paisiello, welcher den Stoff ebenfalls vertont hatte, versuchten die Oper des jungen Rossini niederzuschreien, angestachelt auch durch die Intendanz eines konkurrierenden römischen Opernhauses. Bereits die zweite Aufführung wurde zu einem Riesenerfolg, seither ist die Wirkung dieser Königin unter den Buffo Opern weltweit ungebrochen. Rossini hat das Werk, wie es damals üblich war, unter grossem Zeitdruck fertig stellen müssen. Doch war es gang und gäbe für die Komponisten jener Zeit, Teile von Arien und Ouvertüren aus eigenen (und manchmal auch fremden) Werken zu übernehmen. So können beim BARBIERE Melodien aus mindestens sieben anderen Opern Rossinis gefunden werden, auch aus ernsten Opern, wie ELISABETTA, REGHINA D´ INGHILTERRA (Ouvertüre).
Nichtsdestotrotz bereiten Rossinis melodischer Einfallsreichtum, sein musikalischer Witz und das untrügliche Gespür für bühnenwirksames Timing auch nach 200 Jahren noch immer ungetrübte Freude und Genuss.

Für oper-aktuell: Kaspar Sannemann, 26.Dezember 2009

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