Sonntag, 7. Juni 2009

Zürich: Cavalleria/ I Pagliacci, 6.6.09




Startenor José Cura singt sowohl den Turiddu als auch den Canio in den beiden veristischen Reissern.

Premiere: 6. Juni 2009

Cavalleria rusticana
Melodramma in einem Akt
Musik: Pietro Mascagni
Libretto: Giovanni Targioni-Tozzetti/Guido Menasci nach dem Schauspiel und der Novelle von Verga
Uraufführung: 17. Mai 1890 in Rom

I Pagliacci
Drama in zwei Akten und einem Prolog
Musik: Ruggero Leoncavallo
Libretto vom Komponisten
Urafführung: 21. Mai 1892 in Mailand

Aufführungen in Zürich:

6.6. | 9.6. | 11.6. | 14.6. | 17.6. | 19.6. | 21.6. | 26.6. | 3.7. | 8.7. 09

Infos und Karten

Kritik:
Woran mag es nur gelegen haben, dass die Reaktion des Publikums nach CAVALLERIA RUSTICANA bloss freundlich verhalten war, während sich die Künstlerinnen und Künstler nach I PAGLIACCI frenetisch feiern lassen durften?
Lag es an Paoletta Marrocus (Santuzza) metallisch herbem Timbre und der sich in der Höhe (obwohl die Partie nicht besonders hoch liegt) deutlich verengenden, brüchig klingenden Stimme? Lag es daran, dass sie darstellerisch nicht ganz überzeugen konnte, ihre Gestik sehr konventionell war? Lag es an José Curas (Turiddu) gaumigem Tenor, der zu Beginn stark belegt klang und irgendwie nicht richtig fokussiert war und erst beim Trinklied zu seiner gewohnten Stärke fand? Jedenfalls konnten die nicht unwichtigen Nebenfiguren weit stärker überzeugen: Cornelia Kallisch zeigte eindringlich die scheinbare Gefühlskälte der verhärmten Mama Lucia, Liliana Nikiteanu stellte die frivole, überhebliche Lola stimmlich und darstellerisch überzeugend dar. Cheyne Davidson sang den Alfio schon fast zu weich und schön, er wirkte trotz der faschistischen Uniform wenig bedrohlich.
Regisseur Grischa Asagaroff hat viele, die Figuren genau charakterisierende Details herausgearbeitet, auch den Chor nicht einfach statisch kommentierend auftreten lassen. So zum Beispiel die Szene vor der Kirche, als Santuzza der Einlass durch den Priester verweigert wird, sie aber die einzige ist, welche dem Bettler etwas gibt. Auch der Beginn war überzeugend gemacht: Santuzza spioniert Turiddu nach, beobachtet ihn beim Liebesspiel mit Lola. Schade, dass das Duell der beiden Männer auf offener Bühne zu sehen war. Das beraubt die Schlussszene ihrer Dramatik. Da hätte man dem Komponisten durchaus vertrauen können, der diesen Kampf ganz bewusst ins Off gelegt hatte.
Im nur leicht abgeänderten Bühnenbild (Luigi Perego) dann I PAGLIACCI: Hier war José Cura nun in seinem Element. Bereits sein erster Auftritt Un grande spettacolo war unglaublich stark, gefolgt vom eindringlich gestalteten Cantabile Un tal gioco. Die berühmteste Szene des Stücks Recitar…Vesti la giubba schliesslich gestaltete Cura mit berührender, ergreifender Eindringlichkeit. Auch darstellerisch war Cura als impotenter Alkoholiker restlos überzeugend. Seine so vernachlässigte Gattin Nedda, die er einst aus der Gosse geholt hatte, wurde von Fiorenza Cedolins differenziert angelegt. Sie war einerseits die stets ums Überleben kämpfende Frau, die sich gegen die überheblichen Begehrlichkeiten der Männer mit mitunter grausamen Mitteln zur Wehr setzt (so indem sie mittels eines nach unten gebogenen Strohhalms Canio dessen Impotenz oder dem sie bedrängenden Tonio im Spiegel seinen hässlichen Buckel vorhält). Andererseits zeigt sie subtil die Laszivität und das sexuelle Verlangen dieser Frau, vor allem natürlich in den Armen des hübschen Bauern Silvio (hervorragend Gabriel Bermúdez). Für die Ballatella verfügt Frau Cedolins vielleicht nicht ganz über die geforderte Leichtigkeit, aber indem sie sie fast wie eine italienische Canzona aus den 50er Jahren anlegt (passend zu den Kostümen …), umschifft sie diese Klippe gekonnt.
Den Bösewicht des Stücks singt Carlo Guelfi ordentlich. Sein Bariton verfügte am Premierenabend nicht über die notwendige Eleganz für den Prolog, das starke Vibrato wirkte störend. Im Stück selber allerdings überzeugte er weit mehr.
Martin Zysset als Peppe und eine phänomenal artistisch aber auch poetisch agierende (Intermezzo) Akrobatentruppe ergänzten die spannende, geradlinig erzählte Inszenierung von Grischa Asagaroff.
Das Orchester unter Stefano Ranzani spielte wunderbar einfühlsam, deckte die Stimmen nie zu. Die schwelgerischen Intermezzi der beiden Opern gerieten so zu musikalischen Kostbarkeiten.
In beiden Opern wird dem Chor viel abverlangt. Er meisterte die Aufgaben musikalisch und darstellerisch bravourös.

Fazit: Insgesamt ein spannender Opernabend, I PAGLIACCI besonders eindrücklich.

Werke:
Wohl wurden (auch in Zürich) immer wieder Versuche unternommen, die beiden veristischen Paradepferde zu trennen und mit anderen Einaktern zusammenzuführen, doch die Kombination der beiden Kurzopern hat sich als erfolgreichste Paarung erwiesen.
Mascagni hatte sein Werk anlässlich eines Preisausschreibens des Verlegers Sonzogno eingereicht, gewann den ersten Preis und wurde dank der gekonnten Vermarktung durch den Verleger mit einem Schlag weltberühmt. Der Siegeszug dieses sizilianischen Eifersuchtsdramas ist bis heute ungebrochen. Glühende, mitreissende Melodik, gekonnte Aufeinanderfolge von dramatisch erregten Szenen und Ruhepunkten, sowie die konsequente Einhaltung der Einheit von Ort, Zeit und Handlung prägen dieses leidenschaftliche Meisterwerk.
Auch Leoncavallo hatte sich mit seinen PAGLIACCI an diesem Preisausschreiben beteiligt, das Werk wurde jedoch aus formalen Gründen zurückgewiesen, da es sich nicht um einen Einakter handelte. Sonzogno setzte sich aber trotzdem für das Werk ein und ein ebenso erfolgreicher Siegeszug über alle bedeutenden Bühnen der Welt begann. Carusos Einspielung aus dem Jahre 1902 von Ridi, Pagliaccio war die erste Schallplatte, von der mehr als eine Million Stück verkauft wurden. Leoncavallo schildert das herbe Los des Künstlers, das Drama hinter der Maske. Genial ist der Einfall, das tragische Geschehen dem heiteren Spiel auf der Bühne gegenüberzustellen, um dann die Heiterkeit kippen zu lassen. Die musikalischen Qualitäten des BAJAZZO werden von vielen Kennern noch höher eingestuft als jene der CAVALLERIA.

Inhalt:
CAVALLERIA RUSTICANA
Frau (Santuzza) liebt jungen Mann (Turiddu) und erwartet von ihm ein uneheliches Kind. Turiddu aber hat Affäre mit verheirateter Frau (Lola). Santuzza rächt sich, indem sie dem Ehemann Lolas (Alfio) die Wahrheit über das Liebesleben seiner Frau enthüllt. Alfio fühlt sich in seiner Bauernehre verletzt und fordert Turiddu zum Messerduell. Turiddu stirbt.
I PAGLIACCI
Schauspieltruppe macht halt auf dem Dorfplatz. Tonio liebt Canios Frau Nedda, wird von der aber schroff zurückgewiesen und schwört Rache. Nedda trifft sich heimlich mit dem Bauern Silvio, dabei wird sie von Tonio beobachtet. Der erzählt alles brühwarm dem eifersüchtigen Ehemann Canio. Verzweiflung pur. Das Spiel auf der Bühne beginnt. Aus dem heiteren Eifersuchtsdrama des Spiels wird bitterer Ernst. Canio fällt aus seiner Rolle, er verlangt von Nedda den Namen ihres Liebhabers. Canio sticht sie nieder, Silvio will ihr zu Hilfe eilen, entlarvt sich damit selbst und wird von Canio ebenfalls getötet. Völlig gebrochen lässt sich Canio festnehmen.

Musikalische Höhepunkte:
CAVALLERIA RUSTICANA
Il cavallo scalpita, Arie des Alfio
Voi lo sapete, o mamma, Santuzza
Regina coeli …. Inneggiamo, Osterprozession, Santuzza und Chor
Tu qui Santuzza, Szene Turiddu-Santuzza
Intermezzo sinfonico
Viva il vino, Trinklied des Turiddu

I PAGLIACCI
Si può? Si può?, Prolog Tonio
Un tal gioco, Cantabile des Canio, Akt I
Nedda, Nedda rispondimi, Duett Nedda-Silvio, Akt I
Stridono lassù, Ballatella der Nedda, Akt I
Recitar…Vesti la giubba, Szene des Canio (Lache Bajazzo), Akt I
Intermezzo sinfonico

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