Freitag, 20. November 2009

Zürich: IL CORSARO, 22.11.09





Copyright aller Fotos Suzanne Schwiertz


Oper in drei Akten
Musik: Giuseppe Verdi
Libretto : Francesco Maria Piave
Uraufführung: 25. Oktober 1848 in Triest
Schweizerische Erstaufführung
Aufführungen in Zürich: 22.11. | 24.11. | 26.11. | 28.11. | 1.12. | 3.12. | 6.12. | 29.12.2009 | 1.1.2010
Infos und Karten

Kritik:
Ein spektakuläres Bühnenbild, bravouröse sängerische Leistungen und eine bezwingende Konzeption des Regisseurs machen diesen CORSARO zu einem hinreissenden Opernabend, welcher restlos begeistert.
Lange - allzu lange - hat man in Zürich auf eine rundum geglückte Verdi-Premiere warten müssen. Nun ist sie endlich da - und dies ausgerechnet mit einem Werk, welches viele Kritiker lange Zeit als mittelmässig abgeschrieben hatten, von welchem sich selbst der Komponist distanziert zu haben schien.
Verdi und sein Librettist haben sich in der Gestaltung des Dramas auf kurze, prägnante Szenen fokussiert. Somit blieb kaum Raum für differenzierte Charakterzeichnungen oder psychologische Entwicklungen, wie er sie in seinen reiferen Werken so meisterhaft darstellen konnte. Dies wirkt sich erschwerend auf die Umsetzung auf einer Bühne aus. Regisseur Damiano Michieletto siedelt das abenteuerliche Geschehen auf dramaturgisch schlüssige Art und Weise im Kopf des Dichters Byron an. Die kurzen Szenen wirken deshalb wie Traumsequenzen eines sich in seine eigenen Schriften hineinversetzenden romantischen Dichters, werden in eine effektvolle, sensationell bildgewaltige Sprache übersetzt. Durch die gigantische, schräg gestellte Spiegelwand, das den Ozean - und damit Trennung, Sturm und Drang - symbolisierende, die gesamte Bühne einnehmende Wasserbecken (Bühne: Paolo Fantin), die einmal mehr überragende, geradezu phänomenale Lichtgestaltung (Martin Gebhardt) und die das romantische Zeitalter stilisierenden Kostüme (Carla Testi) erhält der Abend eine flackernde, irisierende Prägung, eine beinahe albtraumhafte Spannung. Die aufwändige Bühnentechnik funktioniert reibungs- und vor allem erstaunlich lautlos, ein Riesenkompliment an die Werkstätten!
Vittorio Grigolo ist dieser an Don Quijote erinnernde Antiheld Corrado, der edle Lord Byron, der sich in jedes Abenteuer stürzt, für das Gute zu kämpfen glaubt und dann doch an seiner eigenen Feigheit im Grossen (Mord) wie im Kleinen (Liebe und Gefühl) scheitert. Er tut dies mit unglaublicher, strahlender Stimmkraft, meidet auch hochdramatische Ausbrüche nicht (Verzweiflungsanfall in der Kerkerszene) und trotz aller stimmlichen Potenz findet der Tenor immer wieder zu tragfähigem, kultiviertem Pianogesang. Klasse!
Gegensätzlich angelegt und äusserst stimmig besetzt sind die beiden in ihn verliebten Sopranistinnen: Einerseits die still und demütig liebende und leidende Medora, welche von Elena Mosuc mit blitzsauberen Fiorituren und samtweichem Tonansatz gesungen wird. Allein schon ihre mit wunderbar zart aufblühender Stimme interpretierte Romanze im ersten Akt ist ein Juwel. Sie macht im Verlauf des Abends keine Wandlung durch, liegt bei ihren beiden Auftritten auf dem grossen Bett, welches wie eine stille, in sich ruhende Insel ohne Ruder durch das aufgewühlte Wasser getrieben wird.
Andererseits ist da die Sklavin Gulnara; sie wird von Carmen Giannattasio mit dramatischerer, dunkler timbrierter Stimme, fulminanten Spitzentönen und herrlich geläufiger Kehle mit grandiosem Aplomb ausgestattet. Bereits ihr erster Auftritt innerhalb der an plastifizierte Spielzeugpuppen erinnernden Harmesdamen ist atemberaubend. Als einziger Figur billigt ihr Verdi eine Entwicklung zu. Sie zeigt ergreifend die Schattierungen dieser Frauengestalt, vom sanft intonierten Selbsmitleid in ihrer Auftritts-Cavatine bis zur leidenschaftlich Liebenden, von der Mörderin an ihrem Unterdrücker Pascha Seid zur am Schluss grossherzig Verzichtenden - eine Lady Macbeth mit Herz, welche trotz des Blutes an ihren Händen - das auch sie nicht wegkriegt - alle Sympathien gewinnt.
Der Bösewicht dieses Albtraums ist Pascha Seid. Der grosse Bariton Juan Pons stellt ihn mit wunderbarer Phrasierungskunst und leicht metallisch gefärbter Stimme dar. Überzeugend auch die Idee des Regisseurs, ihn zwar die hohlen, von religiösem Eifer geprägten Phrasen singen zu lassen, dabei aber die materielle Gier als eigentliche Triebfeder für sein Handeln in den Vordergrund zu stellen. So wird die Bigotterie des Grossindustriellen, der im zwischenmenschlichen wie im politischen Bereich nur den eigenen Vorteil sucht, herausgestrichen.
Aus dem Orchestergraben erklingen neben vielen, für den früheren Verdi charakteristischen Stereotypien, immer wieder wahre Preziosen: Da eine zauberhafte Kantilene der Klarinette oder der Oboe, dort eine traurig schöne, von Bratsche und Cello gespielte Einleitung (zum Beispiel zur Kerkerszene).
Eivind Gullberg Jensen und das herrlich satt spielende Orchester der Oper Zürich sowie der Chor der Oper Zürich verstanden es, sowohl diesen zarten Zwischentönen als auch den schmetternden, mitreissenden Rhythmen den ihnen gebührenden Raum zu geben.
Nachtrag: Am 1. Dezember 2009 besuchte ich IL CORSARO nochmals. Begeisterung wiederum sehr gross, wenngleich bei der Koordination Bühne/Orchester ein paar Abstriche gemacht werden mussten. Elena Mosuc hingegen war in noch blendenderer Verfassung als am Premierenabend.
Fazit: Unbedingt hörens- und vor allem auch sehenswert!
Inhalt:
Corrado, ein Edler, der sich den Piraten angeschlossen hat, erfährt, dass die osmanische Flotte vor Griechenland geankert hat. Er beschliesst, mit seinen Getreuen gegen den muslimischen Anführer Pascha Seid zu kämpfen. Corrados Geliebte Medora versucht vergeblich, ihn zurückzuhalten.
Gulnara ist die Favoritin in Pascha Seids Harem, doch sie verabscheut ihn.
Corrado bittet als Derwisch verkleidet um Schutz bei Pascha Seid. Die Korsaren haben unterdessen Seids Flotte in Flammen gelegt, das Feuer droht auf den Harem überzugreifen. Der Spion wird erkannt. Im darauf folgenden Gemetzel rettet Corrado Gulnara aus dem Harem. Doch die Flucht misslingt, er wird gefangen genommen und zum Tode verurteilt. Gulnara fleht Seid vergebens um Gnade an.
Corrado sinniert über Medoras Unglück. Gulnara will ihm zur Flucht verhelfen, doch er weigert sich vorerst. Gulnara ersticht Pascha Seid. Nun flieht Corrado mit ihr.

Medora hat aus Verzweiflung über den vermeintlichen Tod Corrados Gift getrunken, um wenigstens im Tod mit ihm vereint zu sein. Da trifft das Schiff mit Corrado und Gulnara ein. Medora vermag noch Gulnara für die Rettung ihres Geliebten zu danken, dann stirbt sie in seinen Armen. Corrado stürzt sich von den Klippen ins Meer. Gulnara bricht zusammen.
Werk:
IL CORSARO gehört zu den am seltensten aufgeführten Opern Verdis, sie stammt aus seinen so genannten „Galeerenjahren“, als er aus finanziellen Gründen pro Saison mindestens eine Oper zur Uraufführung bringen musste. Aus verschiedenen Gründen zog sich die Komposition jedoch in die Länge und Verdi hatte sich wohl innerlich bereits von dem Werk mit dem romantischen, aber auch abstrusen, auf Lord Byrons Gedicht THE CORSAIR basierenden, Libretto distanziert. Jedenfalls reiste er nicht zur Uraufführung nach Triest, die dann auch prompt ein Misserfolg wurde. Das Werk wurde bis heute kaum szenisch aufgeführt. Musikalisch jedoch weist es einige sehr schöne und für den frühen Verdi typische Einfälle auf: Dramatische Chorpassagen, fulminante Finali, stimmungsvolle Streichersoli, welche z.B. die Kerkerszene einleiten.

Musikalische Höhepunkte:
Si, de corsari il fulmine, Arie mit Chor, Corrado, Akt I
Non so le tetre immagini, Romanze der Medora, Akt I
Vola talor dal carcere...Ah conforto, Cavatina der Gulnara, Akt II
Salve, Allah, Seid mit Chor, Akt II
Resta ancora, Finale Akt II
Eccola...fingasi..Sia l'istante maledetto, Duett Gulnara-Seid, Akt III
Eccomi prigioniero, Kerkerszene Corrado-Gulnara, Akt III 
Per me infelice, Terzett Medora, Corrado, Gulnara und Finale Akt III

Für oper-aktuell: © Kaspar Sannemann, 23. November 2009


 

1 Kommentar:

Laureto Rodoni hat gesagt…

www.rodoni.ch/opernhaus/ Elvio Giudici, recensendo l'edizione Gardelli de Il Corsaro (composto da Verdi nel 1848 e tratto da un poemetto di Byron) afferma: «È assai improbabile che, al presente, si possa udire quest'opera cantata in modo solo paragonabile a quest'incisione». L'esecuzione zurighese non solo regge il confronto con la citata registrazione, ma nel complesso la supera, soprattutto grazie alla direzione di Eivind Gullberg Jensen che ha dimostrato, se ancora ce ne fosse bisogno, come la tanto biasimata e dileggiata rozzezza strumentale delle prime opere verdiane è in realtà uno dei tanti logori e beceri luoghi comuni della critica musicale.
Il maestro norvegese coglie l'unità stilistica di quest'opera, evidenziando i forti contrasti con piglio energico ma senza enfatiche forzature e cura ogni dettaglio di orchestrazione senza compromettere mai la tensione narrativa dell'insieme.
Magnifica la resa delle instabilità armoniche a fini espressivi che percorrono molte pagine: raffinatezze di ascendenza francese che attestano la solida cultura musicale di Verdi in quel periodo, a dispetto dei detrattori.
Il cast, almeno per i due ruoli sopranili e per quello tenorile, è di alta caratura.
Con il suo timbro giovanile e luminoso e il fraseggio fantasioso, perfettamente a suo agio nei passaggi di registro, Vittorio Grigolo offre un'interpretazione vocale e scenica referenziale del rôle en titre che si spera possa essere presto fissata su DVD.
Anche Carmen Giannattasio affronta l'ispida vocalità di Gulnara con esiti interpretativi di eccellenza.
Non è da meno Elena Mosuc nell'altrettanto impervio ruolo di Medora.
La voce di Juan Pons, interprete del ruolo di Seid, pur risentendo di un certo qual affaticamento, non pregiudica l'interpretazione nel suo complesso.
Ottimo il coro diretto da Jürg Hämmerli e buoni i comprimari.
Di rara raffinatezza la scenografia di Paolo Fantin. Il palcoscenico ricoperto d'acqua evoca metaforicamente il mare in tutti i suoi significati byroniani di avventura, catastrofe, purificazione, solitudine... Su questo 'mare' galleggiano la scrivania del Corsaro (Byron stesso secondo il regista) e il letto di Medora, a significare la deriva, lo smarrimento, l'incomunicabilità, infine il presagio di sventura che incombe sui due innamorati. Il gioco delle luci e dei molteplici rispecchiamenti (effetti di proterva bellezza) contribuiscono a rendere opprimente lo spazio scenico nel quale si agitano i personaggi, i cui bellissimi costumi (di Carla Teti) pure veicolano significati metaforici (si pensi al bianco di Medora e al rosso di Gulnara). Il regista Damiano Michieletto guida con perizia i personaggi conferendo spessore al debole libretto di Francesco Maria Piave.
Successo clamoroso per tutti.