Montag, 29. Juni 2009

COSÌ FAN TUTTE, Zürich 28.6.09


Abschluss und Höhepunkt der Mozart / Da Ponte Trilogie mit Welser-Möst am Pult, Sven-Eric Bechtolf inszeniert. Ein überragendes Ensemble macht die Aufführung zu einem Geschmeide aus lauter Juwelen.

Premiere: 28. Juni 2009

Dramma giocoso in zwei Akten
Musik: Wolfgang Amadeus Mozart
Libretto: Lorenzo da Ponte
Uraufführung: 26. Januar 1790, Burgtheater Wien
Aufführungen in Zürich: 28.6. | 30.6. | 4.7. | 7.7. | 9.7. | 11.7. 09

Infos und Karten

Kritik:
Mozart hat uns mit seiner Partitur eine Fülle von Rohdiamanten zur Verfügung gestellt, das Ensemble des Opernhauses Zürich hat daraus ein funkelndes Collier feinstgeschliffener Brillanten geschaffen. Noch selten verliess man das Opernhaus derart beglückt und reichhaltig beschenkt.
Wo soll man mit der Aufzählung der Superlative beginnen? Vielleicht bei den Damen?
In betörendem Wohlklang vereinen sich die Stimmen von Malin Hartelius (Fiordiligi) und Anna Bonitatibus (Dorabella) in ihren Duetten, dazu gesellt sich eine quirlige Martina Janková, die als Despina alle Register ihres Könnens und komödiantischen Talents ziehen kann. Malin Hartelius umschifft die Klippen der gefürchteten Felsenarie Come scoglio mit Bravour und füllt das Rondo Per pietà dank ihrer immensen Gestaltungskunst mit berührender Tiefe. Anna Bonitatibus lässt bereits mit ihrem ersten Ton im Duett aufhorchen und läuft dann im raschen Smanie implacabili zu überragender Hochform auf, welche sie in ihrer zweiten Arie E amore un ladrincello wahrhaftig bestätigt. Welch grossartige Sängerin!
Doch auch die drei Herren brauchen sich nicht zu verstecken. An erster Stelle muss der Tenor Javier Camarena genannt werden. Das Versprechen, das er anlässliche der Premiere von ITALIANA IN ALGERI vor zwei Jahren gegeben hatte, wurde mit diesem überragenden Rollendebüt als Ferrando mehr als eingelöst. Die wohl schönste aller Mozart Tenorarien Un aura amorosa hat man noch kaum je bewegender gehört. Der weiche Stimmansatz, die wunderbare Phrasierungskunst, die subtilen Piani und gekonnten Crescendi sind zum Dahinschmelzen. Kein Wunder wagt sich Fiordiligi bei diesen Tönen aus ihrer Kammer und hört – ebenso ergriffen und verzaubert wie das Publikum – dem Sänger zu.
Ruben Drole betont umwerfend komisch die buffonesken Charakterzüge des Guglielmo. Seine Auftritte sind gespickt mit Anzüglichkeiten und Frotzeleien. Aber all dieser Aktionismus beeinträchtigt seinen Gesang nicht in geringster Weise – warm strömt sein durchschlagskräftiger Bariton, edel bleibt die Phrasierung. Oliver Widmer hält als Don Alfonso die Strippen des sadistischen Spiels mit den Gefühlen der vier Liebenden mit nonchalanter Lässigkeit in der Hand, greift energisch ein, wenn die Herren oder Despina aus den Rollen zu fallen drohen. Bei einigen turbulenten Aktionen, die während den Arien abliefen, hätte Don Alfonso vielleicht noch etwas früher eingreifen sollen…Charakterlich ist dieser Don Alfonso ein durchaus fragwürdiger Geselle, aber durch Widmers ironisierende Gestaltung nicht mal so unsympathisch.
Doch das edle Geschmeide aus den Brillanten entsteht erst durch das Zusammenspiel dieser sechs fantastischen Sängerinnen und Sänger, durch die Regie, das Bühnenbild, den Chor und vor allem durch die Unterstützung und Führung von Dirigent und Orchester. Regisseur Sven-Eric Bechtolf vertraut Mozart und Da Ponte vollständig, da wird nichts übergestülpt, was nicht in Partitur oder Libretto vorhanden wäre. Und doch wirkt die Inszenierung nicht verstaubt, sie ist von begeisternder Frische, die Personenführung und die Charakterzeichnungen sind von grösster Glaubwürdigkeit. Im schlichten, aber funktionalen Einheitsbühnenbild von Rolf Glittenberg und den geschmackvollen Kostümen von Marianne Glittenberg zeichnet der Regisseur ein symmetrisches Spiel, das genau der konzeptionellen Symmetrie der Oper entspricht. Zwar wirken die Wände und der Fussboden in ihrem strahlenden Weiss total aseptisch, doch gerade in diesem leeren Raum können die spielfreudigen Protagonisten ihr mal ernstes, mal parodistisches Spiel aufs Herrlichste entfalten. Das Spiel mit den Requisiten verdient ganz besondere Erwähnung: Wie da Putzeimer, Phallussymbole, Fruchtmännchen und Flaschen eingesetzt werden ist zwar oberflächlich gesehen erst mal wirklich lustig, hat aber ganz und gar nichts mit billigem Schwank und Schenkelklopfen zu tun.
Nur an ganz wenigen Stellen wird die Symmetrie aufgehoben, gerät aus den Fugen, so zum tragischen Schluss, der aus dem oft so harmlos wirkenden Plot dann doch noch ein echtes Drama macht. Mehr soll an dieser Stelle nicht verraten werden, das muss man gesehen haben!
Franz Welser-Mösts Rückkehr ans Pult gerät zu einem wahren Triumph. Das Orchester spielt unter seiner Leitung einen unglaublich differenziert und spannend klingenden Mozart. Der ehemalige Generalmusikdirektor lotet die Regungen bis in die feinsten Pianissimi aus, scheut dann aber auch gross angelegte Crescendi nicht und das Orchester folgt ihm mit eleganter Brillanz. Fast sämtliche üblicherweise gestrichenen Szenen und Arien werden gespielt.

Nach Mozarts ENTFÜHRUNG AUS DEM SERAIL soll Joseph II. gesagt haben: »Zu schön für unsere Ohren und gewaltig viel Noten, lieber Mozart« – worauf Mozart geantwortet habe: »Gerade so viel Noten, Eure Majestät, als nötig sind.«
Dieser Antwort Mozarts kann man auch nach dieser fast vierstündigen Aufführung von COSÌ FAN TUTTE in Zürich vorbehaltlos zustimmen.

Fazit:
Mozart vom Allerfeinsten: Eine zu Recht umjubelte Aufführung. Funkelnd und faszinierend wie ein kostbarer Schmuck, dazu mit dem nötigen Quentchen Verspieltheit, Erotik und durchschimmernder Ernsthaftigkeit.

Inhalt:
Neapel um 1790
Die beiden Offiziere Ferrando und Guglielmo sind von der Treue ihrer beiden Geliebten Dorabella und Fiordiligi restlos überzeugt. Der Zyniker Don Alfonso hingegen zweifelt grundsätzlich an der Treue der Frauen. Es wird eine Wette eingegangen und Don Alfonso setzt ein menschenverachtendes Experiment in Gang, unterstützt von
Despina, der Kammerzofe der beiden Schwestern. Nach anfänglicher Standhaftigkeit werden die beiden Frauen doch schwach, verlieben sich übers Kreuz in die verkleideten Liebhaber und unterzeichnen gar einen Ehevertrag. Der Schwindel wird aufgedeckt. Beschämung allerseits, doch am Schluss steht die Moral, dass man die Wechselfälle des Lebens mit Humor tragen solle, denn schliesslich machen es ja alle so … Così fan tutte (e tutti!)

Werk:
Così fan tutte gehörte lange Zeit nicht zu den beliebtesten Opern Mozarts, obwohl die Musik zum Schönsten und Einfühlsamsten zählt, was Mozart komponiert hatte. Seine Gabe, tief in die Seele der Menschen hineinzublicken, Schwächen und widerstreitende Gefühle auszuloten und diese in beglückend schöne Noten zu setzen, erreichte in dieser Oper einen Höhepunkt.
Mozarts liberale Gesinnung und sein Einstehen für die sexuelle Selbstbestimmung stand in herbem Widerspruch zum aufkeimenden Puritanismus, der nach der französischen Revolution einsetzte. Wegen des nach dem Tod des aufgeklärten Reformkaisers Joseph II. moralisch unter Druck gekommenen Librettos und abfälliger Äusserungen von Beethoven (obwohl er eine Fiordiligi Arie zum Vorbild für die grosse Leonoren Arie genommen hat …) und Wagner bekam das Werk erst im 20. Jahrhundert seinen verdienten Stellenwert im Repertoire.

Musikalische Höhepunkte:
Soave il vento, Terzett Fiordiligi, Dorabella, Don Alfonso, Akt I
Ah, scostati … Smanie implacabili, Szene und Arie der Dorabella, Akt I
Come scoglio, Arie der Fiordiligi, Akt I
Un aura amorosa, Arie des Ferrando, Akt I
Una donna a quindici anni, Arie der Despina, Akt II
Per pietà, Arie der Fiordiligi, Akt II
Il core vi dono, Duett Dorabella, Guglielmo, Akt II
Fra gli amplessi, Duett Fiordiligi, Ferrando, Akt II

Samstag, 27. Juni 2009

St. Gallen: SAMSON ET DALILA, 26.6.09

St. Gallen, Klosterhof

Eindringliche, starke Bilder an einem der wohl schönsten Openair Plätze: Diese grossartige Festspielproduktion in St. Gallen berührt und begeistert!

Premiere: 26. Juni 2009

Oper in drei Akten
Musik: Camille Saint-Saëns
Libretto : Ferdinand Lemaire
Uraufführung: 2. Dezember 1877 in Weimar
Aufführungen in St. Gallen: 26.6. | 27. 6. | 30.6. | 3.7. | 4.7. | 8.7. |10.7.09
Beginn jeweils 20.30 Uhr

Weitere Informationen und Tickets

Kritik:
Die starken, unter die Haut gehenden Bilder dieser Produktion wird man so schnell nicht vergessen: Zu Beginn füllt sich das von rostigen Eisenplatten umgebene, klaustrophobisch anmutende Halbrund (Bühne: Ferdinand Wögenbauer) mit quälender Langsamkeit mit verfolgten, unterdrückten Juden. Junge, Alte, Kranke, Kinder treten einzeln und in Gruppen auf, ihre in Grau- und Schwarztönen gehaltenen Kostüme (Annamaria Heinreich) sind verschmutzt. In fatalistischer Ergebenheit scheinen sie sich ihrem schmerzvollen Schicksal zu ergeben, bevor sie sich gemeinsam zur Anklage gegen den Gott, der sie im Stich gelassen hat, vereinen. Die ergreifende Klage wird von den Chören (Chor des Theaters St.Gallen, Theaterchor Winterthur, Prager Philharmonischer Chor) mit grosser Eindringlichkeit vorgetragen. Ganz gegensätzlich präsentiert Regisseur Stefano Vizioli dann die dekadente Welt der Philister, den von Lustsklaven umgebenen Abimelech (Roman Ialcic mit profundem Bass, man bedauert, dass er so früh von Samson ermordet wird, hätte ihm gerne noch länger zugehört … ), den wollüstigen, polternden Oberpriester (sehr präsent singend und agierend: Anooshah Golesorkhi) und natürlich die verführerische Dalila. Mon coeur s’ouvre à ta voix singt sie – und nicht nur Samson verfällt ihren Reizen, auch das Publikum ist fasziniert von dieser Stimme und öffnet seine Herzen für sie. Elena Maximova ist die perfekte Dalila: Mit ihrem wunderbar satt, leicht guttural strömenden, viel Erotik und Wärme ausstrahlenden Mezzo vermag sie restlos zu begeistern. Sie ist die Liebende, die Verführerin, aber auch die von den Männern ausgenutzte und missbrauchte Frau. Die Zerrissenheit des Helden Samson zeigt Ian Storey (der Zürcher Tristan!) überzeugend. Zu Beginn ist er der über sich hinauswachsende Held, der sein Volk zum Widerstand antreibt, dann verfällt er den Verführungskünsten der Dalila, folgt seinen Trieben und wird doch immer wieder von religiösen Gewissensbissen heimgesucht. Ian Storey wagt es auch, den Beginn des dritten Aktes mit gebrochener Stimme zu gestalten. Doch noch einmal erhebt sich sein Tenor zu strahlender Höhe, als er den Tempel zum Einsturz bringt. Seine leicht gaumig klingende Stimme mag nicht jedermanns Sache sein, mit gefiel seine Interpretation ausgezeichnet. Vielleicht lag es auch daran, dass dank der Microports kein Sänger gezwungen war zu forcieren. Die Stimmen klangen überaus präsent, die Balance zwischen dem differenziert aufspielenden Orchester und den Stimmen war wunderbar ausgeglichen. Ein grosses Lob für die Tontechniker!
Dirigent Sébastien Rouland hielt den riesigen Apparat über verschiedene Monitore zusammen, es ergaben sich praktisch keine Wackler. Es lohnt sich durchaus, auch mal den Kopf zu wenden und über einen der Monitore einen Blick auf sein faszinierendes, engagiertes Dirigat zu werfen. Seine kluge, eindringliche Konzeption war geprägt von eher getragenen Tempi. Trotzdem vermochte er die Spannung zu halten, zeichnete eindringliche Bögen – und überraschte dann mit einem ziemlich schnell dirigierten Mon coeur s’ouvre à ta voix, was dieser zentralen Szene, diesem Bravourstück des Mezzorepertoires, einen ganz besonderen, psychologisch tiefgründigen Reiz verlieh.
Zum Schluss lassen sich die Philister in einem wahren Blutrausch von den ekstatischen Tänzern anstecken (die Choreografie von Annarita Pasculi vermochte in diesem Bacchanale weit mehr zu überzeugen als beim Auftritt der Philisterinnen). Nur die überstark geschminkte, nun zur Hure degradierte Dalila wendet sich apathisch ab, während die Philister in verblendeter Verzückung einem Betonklotz huldigen, der dann von Samson in einer letzten Aufwallung seiner Kräfte gesprengt wird. Die herausströmenden (atomaren?) Dämpfe vernichten alle.

Fazit:
Diese Openair Produktion ist ein Ereignis: Starke Bilder, eindringliche Personenführung und hervorragende Sänger lassen SAMSON ET DALILA zu einem ergreifenden, berührenden Erlebnis werden!

Inhalt:
Das Libretto der Oper beruht auf der biblischen Geschichte des Israeliten Samson, der mit seinen übermenschlichen physischen Kräften die das hebräische Volk unterdrückenden Philister schlägt, aber wegen seiner Liebe zur feindlichen Priesterin Dalila menschliche Schwächen offenbart. Dalila führt ihn in Versuchung, Samsons Fleisch ist schwach. Dalila entlockt ihm das Rätsel seiner Stärke. Durch seine Entmannung (Verlust seines langen Kopfhaares) wird er impotent. Die Philister nehmen ihn gefangen, berauben ihn seines Augenlichts und lassen ihn weibische Sklavenarbeit verrichten. In einer letzten Aufwallung und unter verzweifelter Anrufung seines Gottes erlangt er noch einmal seine frühere Stärke. Er reisst die Säulen des heidnischen Tempels ein. Die herabstürzenden Trümmer begraben ihn, Dalila und viele Tausend Philister.

Werk:
Die französische Oper befand sich Mitte des 19. Jahrhunderts in einer grossen Krise. Das Publikum huldigte einerseits den Belcanto-Opern Donizettis und Bellinis oder den monumentalen Werken Meyerbeers, andererseits erlangten die Werke Richard Wagners immer mehr Anhänger (siehe auch FERVAAL in Bern). Eine eigenständige französische Musiksprache konnte sich (trotz Berlioz’ und Gounods Werken) nicht durchsetzen. Zwischen den beiden Lagern tobten vehemente Kämpfe. Jeder Komponist, der dem Orchester einen wichtigeren Stellenwert zuordnete, wurde vom konservativen Lager gleich als Wagnerianer verschrien. So konnte sich auch Saint-Saëns Hauptwerk (zuerst als Oratorium geplant) vorerst in Frankreich nicht durchsetzen, obwohl es weit entfernt vom Wagner Epigonentum ist. Die Grand Opéra de Paris übernahm das Werk erst 1892, danach aber setzte es zu einem grossartigen Siegeszug an und kam allein in Paris im letzten Jahrhundert auf über 1000 Aufführungen. Die farbenreich orchestrierte Partitur mit ihren Orientalismen, den sinnlich erotischen Melodien der Dalila und der raffinierten Gegenüberstellung des barockisierenden Sakralstils in den Chören der Hebräer mit den chromatisch angelegten Philisterszenen gehört zu den absoluten Meisterwerken der französischen Opernliteratur. Die in erotischer Mezzolage singende FEMME FATALE, welche mit Bizets CARMEN Einzug in die Opernwelt gehalten hatte, fand in DALILA eine würdige Nachfolgerin.

Musikalische Höhepunkte:
Israël, rompe ta chaîne, Samson und Hebräer, Akt I
Printemps qui commence, Arie der Dalila, Akt I
Amour, vien aider ma faiblesse, Monolog der Dalila, Akt II
Mon coeur s’ouvre à ta voix, Liebesszene Dalila-Samson, Akt II
Bacchanale, Ballett, Akt III
Gloire à Dagon, Hohepriester, Dalila, Samson, Finale Akt III

Sonntag, 7. Juni 2009

Zürich: Cavalleria/ I Pagliacci, 6.6.09




Startenor José Cura singt sowohl den Turiddu als auch den Canio in den beiden veristischen Reissern.

Premiere: 6. Juni 2009

Cavalleria rusticana
Melodramma in einem Akt
Musik: Pietro Mascagni
Libretto: Giovanni Targioni-Tozzetti/Guido Menasci nach dem Schauspiel und der Novelle von Verga
Uraufführung: 17. Mai 1890 in Rom

I Pagliacci
Drama in zwei Akten und einem Prolog
Musik: Ruggero Leoncavallo
Libretto vom Komponisten
Urafführung: 21. Mai 1892 in Mailand

Aufführungen in Zürich:

6.6. | 9.6. | 11.6. | 14.6. | 17.6. | 19.6. | 21.6. | 26.6. | 3.7. | 8.7. 09

Infos und Karten

Kritik:
Woran mag es nur gelegen haben, dass die Reaktion des Publikums nach CAVALLERIA RUSTICANA bloss freundlich verhalten war, während sich die Künstlerinnen und Künstler nach I PAGLIACCI frenetisch feiern lassen durften?
Lag es an Paoletta Marrocus (Santuzza) metallisch herbem Timbre und der sich in der Höhe (obwohl die Partie nicht besonders hoch liegt) deutlich verengenden, brüchig klingenden Stimme? Lag es daran, dass sie darstellerisch nicht ganz überzeugen konnte, ihre Gestik sehr konventionell war? Lag es an José Curas (Turiddu) gaumigem Tenor, der zu Beginn stark belegt klang und irgendwie nicht richtig fokussiert war und erst beim Trinklied zu seiner gewohnten Stärke fand? Jedenfalls konnten die nicht unwichtigen Nebenfiguren weit stärker überzeugen: Cornelia Kallisch zeigte eindringlich die scheinbare Gefühlskälte der verhärmten Mama Lucia, Liliana Nikiteanu stellte die frivole, überhebliche Lola stimmlich und darstellerisch überzeugend dar. Cheyne Davidson sang den Alfio schon fast zu weich und schön, er wirkte trotz der faschistischen Uniform wenig bedrohlich.
Regisseur Grischa Asagaroff hat viele, die Figuren genau charakterisierende Details herausgearbeitet, auch den Chor nicht einfach statisch kommentierend auftreten lassen. So zum Beispiel die Szene vor der Kirche, als Santuzza der Einlass durch den Priester verweigert wird, sie aber die einzige ist, welche dem Bettler etwas gibt. Auch der Beginn war überzeugend gemacht: Santuzza spioniert Turiddu nach, beobachtet ihn beim Liebesspiel mit Lola. Schade, dass das Duell der beiden Männer auf offener Bühne zu sehen war. Das beraubt die Schlussszene ihrer Dramatik. Da hätte man dem Komponisten durchaus vertrauen können, der diesen Kampf ganz bewusst ins Off gelegt hatte.
Im nur leicht abgeänderten Bühnenbild (Luigi Perego) dann I PAGLIACCI: Hier war José Cura nun in seinem Element. Bereits sein erster Auftritt Un grande spettacolo war unglaublich stark, gefolgt vom eindringlich gestalteten Cantabile Un tal gioco. Die berühmteste Szene des Stücks Recitar…Vesti la giubba schliesslich gestaltete Cura mit berührender, ergreifender Eindringlichkeit. Auch darstellerisch war Cura als impotenter Alkoholiker restlos überzeugend. Seine so vernachlässigte Gattin Nedda, die er einst aus der Gosse geholt hatte, wurde von Fiorenza Cedolins differenziert angelegt. Sie war einerseits die stets ums Überleben kämpfende Frau, die sich gegen die überheblichen Begehrlichkeiten der Männer mit mitunter grausamen Mitteln zur Wehr setzt (so indem sie mittels eines nach unten gebogenen Strohhalms Canio dessen Impotenz oder dem sie bedrängenden Tonio im Spiegel seinen hässlichen Buckel vorhält). Andererseits zeigt sie subtil die Laszivität und das sexuelle Verlangen dieser Frau, vor allem natürlich in den Armen des hübschen Bauern Silvio (hervorragend Gabriel Bermúdez). Für die Ballatella verfügt Frau Cedolins vielleicht nicht ganz über die geforderte Leichtigkeit, aber indem sie sie fast wie eine italienische Canzona aus den 50er Jahren anlegt (passend zu den Kostümen …), umschifft sie diese Klippe gekonnt.
Den Bösewicht des Stücks singt Carlo Guelfi ordentlich. Sein Bariton verfügte am Premierenabend nicht über die notwendige Eleganz für den Prolog, das starke Vibrato wirkte störend. Im Stück selber allerdings überzeugte er weit mehr.
Martin Zysset als Peppe und eine phänomenal artistisch aber auch poetisch agierende (Intermezzo) Akrobatentruppe ergänzten die spannende, geradlinig erzählte Inszenierung von Grischa Asagaroff.
Das Orchester unter Stefano Ranzani spielte wunderbar einfühlsam, deckte die Stimmen nie zu. Die schwelgerischen Intermezzi der beiden Opern gerieten so zu musikalischen Kostbarkeiten.
In beiden Opern wird dem Chor viel abverlangt. Er meisterte die Aufgaben musikalisch und darstellerisch bravourös.

Fazit: Insgesamt ein spannender Opernabend, I PAGLIACCI besonders eindrücklich.

Werke:
Wohl wurden (auch in Zürich) immer wieder Versuche unternommen, die beiden veristischen Paradepferde zu trennen und mit anderen Einaktern zusammenzuführen, doch die Kombination der beiden Kurzopern hat sich als erfolgreichste Paarung erwiesen.
Mascagni hatte sein Werk anlässlich eines Preisausschreibens des Verlegers Sonzogno eingereicht, gewann den ersten Preis und wurde dank der gekonnten Vermarktung durch den Verleger mit einem Schlag weltberühmt. Der Siegeszug dieses sizilianischen Eifersuchtsdramas ist bis heute ungebrochen. Glühende, mitreissende Melodik, gekonnte Aufeinanderfolge von dramatisch erregten Szenen und Ruhepunkten, sowie die konsequente Einhaltung der Einheit von Ort, Zeit und Handlung prägen dieses leidenschaftliche Meisterwerk.
Auch Leoncavallo hatte sich mit seinen PAGLIACCI an diesem Preisausschreiben beteiligt, das Werk wurde jedoch aus formalen Gründen zurückgewiesen, da es sich nicht um einen Einakter handelte. Sonzogno setzte sich aber trotzdem für das Werk ein und ein ebenso erfolgreicher Siegeszug über alle bedeutenden Bühnen der Welt begann. Carusos Einspielung aus dem Jahre 1902 von Ridi, Pagliaccio war die erste Schallplatte, von der mehr als eine Million Stück verkauft wurden. Leoncavallo schildert das herbe Los des Künstlers, das Drama hinter der Maske. Genial ist der Einfall, das tragische Geschehen dem heiteren Spiel auf der Bühne gegenüberzustellen, um dann die Heiterkeit kippen zu lassen. Die musikalischen Qualitäten des BAJAZZO werden von vielen Kennern noch höher eingestuft als jene der CAVALLERIA.

Inhalt:
CAVALLERIA RUSTICANA
Frau (Santuzza) liebt jungen Mann (Turiddu) und erwartet von ihm ein uneheliches Kind. Turiddu aber hat Affäre mit verheirateter Frau (Lola). Santuzza rächt sich, indem sie dem Ehemann Lolas (Alfio) die Wahrheit über das Liebesleben seiner Frau enthüllt. Alfio fühlt sich in seiner Bauernehre verletzt und fordert Turiddu zum Messerduell. Turiddu stirbt.
I PAGLIACCI
Schauspieltruppe macht halt auf dem Dorfplatz. Tonio liebt Canios Frau Nedda, wird von der aber schroff zurückgewiesen und schwört Rache. Nedda trifft sich heimlich mit dem Bauern Silvio, dabei wird sie von Tonio beobachtet. Der erzählt alles brühwarm dem eifersüchtigen Ehemann Canio. Verzweiflung pur. Das Spiel auf der Bühne beginnt. Aus dem heiteren Eifersuchtsdrama des Spiels wird bitterer Ernst. Canio fällt aus seiner Rolle, er verlangt von Nedda den Namen ihres Liebhabers. Canio sticht sie nieder, Silvio will ihr zu Hilfe eilen, entlarvt sich damit selbst und wird von Canio ebenfalls getötet. Völlig gebrochen lässt sich Canio festnehmen.

Musikalische Höhepunkte:
CAVALLERIA RUSTICANA
Il cavallo scalpita, Arie des Alfio
Voi lo sapete, o mamma, Santuzza
Regina coeli …. Inneggiamo, Osterprozession, Santuzza und Chor
Tu qui Santuzza, Szene Turiddu-Santuzza
Intermezzo sinfonico
Viva il vino, Trinklied des Turiddu

I PAGLIACCI
Si può? Si può?, Prolog Tonio
Un tal gioco, Cantabile des Canio, Akt I
Nedda, Nedda rispondimi, Duett Nedda-Silvio, Akt I
Stridono lassù, Ballatella der Nedda, Akt I
Recitar…Vesti la giubba, Szene des Canio (Lache Bajazzo), Akt I
Intermezzo sinfonico

Samstag, 6. Juni 2009

Zürich: Ariadne auf Naxos, 16.12.06,7.6. und 10.6.09


Am 7. und 10. Juni hatte ich noch zweimal das Vergnügen, diese aussergewöhnliche Produktion zu erleben. Die Besetzung war nahezu unverändert, bis auf den Musiklehrer, der nun von Rolf Haunstein sehr gut gesungen wurde. Peter Schneider übernahm das Dirigat - er ist ein immens präsenter Dirigent, seine kluge Disposition, die Bögen, die Balance Bühne Orchester - alles perfekt und spannungsreich. Emily Magee berührt immer noch durch ihre Darstellung der tragisch Leidenden, Elena Mosuc ist unübertrefflich als Zerbinetta mit herrlich präzise und doch so natürlich perlenden Koloraturen. Am 14. Juni 2009 noch einmal zu erleben. In der nächsten Saison wird Deborah Voigt die Ariadne übernehmen, Sen Guo die Zerbinetta.

Ariadne auf Naxos

Oper in einem Aufzug nebst Vorspiel(2.Fassung)

Musik: Richard Strauss

Libretto : Hugo von Hofmannsthal

Uraufführung: 4.Oktober1916 in Wien

Aufführungen in Zürich vom 16.12.06-6.1.07

Synopsis:

Vorspiel: Im Hause des „reichsten Mannes von Wien“ sind die Vorbereitungen zur Uraufführung der Oper Ariadne auf Naxos im Gange. Doch auf Anordnung des unsichtbar bleibenden Mäzens soll die tragische Handlung mit einer Tanzmaskerade von Zerbinettas Truppe verschmolzen werden. Der Komponist ist entsetzt und bricht – trotz eines Liebesintermezzos mit Zerbinetta – zusammen. Doch die Truppe macht sich für die Aufführung bereit.

Oper: Ariadne befindet sich alleine und verlassen auf einer wüsten Insel und trauert ihrer grossen Liebe Theseus nach. Sie sehnt den Tod herbei.

Zerbinetta feuert ein Bekenntnis zur freien Liebe ab – umsonst. Da erscheint der junge Gott Bacchus. Ariadne hält ihn für den Todesboten, er sie für die Zaubererin Circe. Gegenseitiges Verkennen – gegenseitige Verwandlung – Verschmelzung der Seelen.

Zerbinetta kommentiert: „…hingegeben sind wir stumm.“

Musikalische Höhepunkte: Ariosi des Komponisten im Vorspiel, Ariadnes grosse Arie „Es gibt ein Reich“, Zerbinettas Koloraturarie „Grossmächtige Prinzessin“, Schlussduett Ariadne-Bacchus

Kritik: (SK) „Musik ist eine heilige Kunst“ singt Michelle Breedt mit silbrig-glänzendem Mezzosopran als Komponist im Vorspiel – und tatsächlich, wenn die Musik auf solch ausserordentlichem Niveau zelebriert wird wie an dieser Premiere, dann bleibt uns nichts anderes übrig, als uns ergriffen und dankbar vor dieser Leistung zu verneigen. Schlichtweg eine Offenbarung!

Strauss komponierte eine lebendige, wunderschöne Musik, vom leichten Parlandoton des Vorspiels zu den grossen Bögen der ausgedehnten und dankbaren Gesangsnummern der Oper. Die Interpreten in Zürich kann man sich besser kaum vorstellen:

Elena Mosuc singt die immensen Koloraturen der Zerbinetta mit unglaublicher Leichtigkeit und augenzwinkerndem Schalk, eine bravouröse Leistung. Als Gegensatz dazu die tragische Heldin Ariadne: Emily Magee durchdringt die Partie mit einer wunderschön bruchlos geführten Sopranstimme, sie beherrscht das Strauss´sche Aufblühen aufs Ergreifendste und rührt im Schlussduett mit dem wunderbar zart intonierten „Gibt es kein Hinüber…“ zu Tränen. Richard Strauss liebte die Frauenstimmen und schrieb für sie auch die dankbarsten Partien, Tenöre waren seine Sache nicht. Die Partie des Bacchus ist eigentlich viel zu heroisch und unangenehm hoch angelegt, sie muss deshalb oft mit Heldentenören besetzt werden. Umso dankbarer darf man der Zürcher Intendanz sein, dass sie Roberto Saccà für diese Rolle gewinnen konnte. Er singt nicht nur strahlend und jugendlich feurig, nein er verkörpert auch in idealster Weise diesen eben vom Knaben zum Manne gereiften Gott.

Von den übrigen, wie meistens hier sehr gut besetzten Partien, seien Gabriel Bermúdez als Harlekin, Michael Volle als Musiklehrer und das Trio Eva Liebau, Irene Friedli und Sandra Trattnigg besonders herausgehoben.

Regisseur Claus Guth musste am Ende der Vorstellung einige Buhs einstecken – zu Unrecht. Er zeigt uns eine sehr intelligente, äusserst textgenaue Interpretation der Handlung, welche die überwiegende Mehrheit des Publikums begeisterte.

Das Vorspiel, ganz in schwarz-weiss gehalten und zwischen weissen Vorhängen spielend, erinnert manchmal an eine surreale Slapstick-Komödie, die Haupthandlung spielt nicht auf einer wüsten Insel, sondern im Tempel der Zürcher Kunstfreunde, der Schönen und Reichen (und solchen, die sich dafür halten…), dem Zürcher Restaurant „Kronenhalle“. Im detailgetreuen Bühnenbild von Christian Schmidt prangt Varlins Gemälde von Hulda Zumsteg an der Wand. Mal agiert die Truppe um Zerbinetta als Servierpersonal, mal als trunkene Gäste. Ariadne sitzt alleine und verlassen an einem Tisch, der Komponist, der sich am Ende des Vorspiels aus Verzweiflung noch eine Pistole an den Kopf gehalten hatte, erscheint immer wieder bei den musikalischen Höhepunkten und schreitet geheimnisvoll mit blutender Wunde an der Stirn über die Bühne. Der Haushofmeister (wie in der Lievi Inszenierung von 1993 Intendant Alexander Pereira in Person - man hätte sich in dieser Rolle auch einen Schauspieler leisten können…) setzt sich mit Mäzenen an einen Tisch und überbringt Ariadne, die zwar in Claus Guths Interpretation Selbstmord durch Tabletteneinnahme begeht, nun aber am Ende des Spiels wieder die Primadonna ist, einen Blumenstrauss.

Den hat das gesamte Ensemble und das kleine, aber ungemein präzise und klangschön spielende Orchester unter der musikalischen Leitung von Christoph von Dohnányi mehr als verdient!

Fazit: Diese Produktion darf man auf keinen Fall verpassen. Musikalische Kostbarkeiten auf einem Silbertablett serviert!

Dienstag, 2. Juni 2009

Berlin, TANNHÄUSER, 31.5.09



Copyright der Bilder: DeutscheOperBerlin 2008 Matthias Horn
Viel wurde über die Inszenierung von Hausherrin Kirsten Harms gelästert. Mir hat sie sehr gefallen. Die ausgeklügelte Lichtregie, die nachvollziehbare Symbolik, die Choreographie. Das Orchester der Deutschen Oper hatte einen Glanzabend. Dirigent Philippe Auguin wählte genau die richtigen Tempi, so dass die Sänger nicht überfordert waren, die Zuschauer nicht einschliefen... Eigentlich bin ich ja ein Anhänger der so genannten Pariser Fassung, doch die hier gespielte Dresdner überzeugt ebenfalls.
Die in Berlin so ungeliebte Nadja Michael übernahm beide Rollen: Elisabeth und Venus. Das macht in dieser Inszenierung Sinn und Frau Michael war überwältigend in beiden Rollen. Angesichts dieser grossartigen Gesamtleistung konnte man auch ein oder zwei herausgeschrieene Spitzentöne wegstecken. Ihr Lispeln allerdings sollte sie nun schleunigst mal angehen. Das verscherzt ihr viele Sympathien. Die anspruchsvolle Titelrolle meisterte Scott MacAllister grandios. Mit hellem, leicht ansprechenden Heldentenor gestaltete er einen intensiven, gespaltenen Minnesänger, der in erster Linie MANN ist, der mit zwei Seelen in seiner Brust kämpft. Als Wofram sprang kurzfristig Dietrich Henschel ein. Der fabelhafte Liedsänger ist für diese Rolle geradezu prädestiniert. Seine noble Erscheinung (obwohl in Rüstung verpackt) unterstreicht die Vornehmheit, aber auch die unterdrückte Leidenschaft dieses Mannes.
Kurt Rydl hat seinen Zenit als verdienter Bass schon überschritten, sein Landgraf neigt leider zum Bellen. Sehr gut Clemens Bieber als Walther von der Vogelweide. Insgesamt ein spannender Abend auf hohem musikalischen Niveau. Phänomenal ist einmal mehr der Chor der Deutschen Oper Berlin!

Berlin: LA CENERENTOLA, 30.5.09

Eine wunderbar unaufgeregte, stimmige Produktion (Übernahme aus Glyndebourne) von Sir Peter Hall. Besonders das Lichtdesign mit den differenzierten, warmen Tönen überzeugt, sowie das intensive, ohne billigen Klamauk auskommende Spiel der Protagonisten. Ruxandra Donose ist eine sehr stimmschöne Cenerentola, eher sanft, doch herrlich weich perlend. Nur in den Ensembles etwas gar zurückhaltend. Ihre Stiefschwestern sind bei Martina Welschenbach undLucia Cirillo bestens aufgehoben. Der Vater, Don Magnifico, wurde von Tiziano Bracci sehr präsent und mit überzeugender Mimik gesungen und gespielt. Der Prinz Don Ramiro war Mario Zeffiri. Sehr geläufige Kehle, nicht immer ganz stimmschön (pressen...) und unüberhörbare Probleme in der exponierten Höhe. Solide Simon Pauly als Dandini und Wojtek Gierlach als Alidoro. Guillero Garcia Calvo dirigierte das lustbetont aufspielende Orchester mit Verve. Toller Rossini Abend.