Mittwoch, 29. April 2009

Luzern: La Bohème, 26.4.09


Die Oper "La Bohème", in der Version von Ruggero Leoncavallo, ist eine sehenswerte und differenzierte inhaltliche und musikalische Darstellung der Bohème des 19. Jahrhunderts.
Kritik:
Besuchte Aufführung: 26. April 2009
Das Luzerner Theater unternimmt mit dieser Aufführung von Leoncavallos BOHÈME einen gelungenen Versuch, das zu Unrecht selten gespielte Werk wiederzubeleben.
Leoncavallo bleibt mit seiner Version des Stoffes weit näher an der literarischen Vorlage als sein berühmter Zeitgenosse Puccini. So findet man in diesem Werk gleich fünf dankbare grosse Partien (nicht wie bei Puccini, wo sich alles auf Mimi und Rodolfo konzentriert). Luzern kann alle Rollen aus dem eigenen Ensemble besetzen, und zwar hervorragend. Tanja Ariane Baumgartner zeigt sehr differenziert die verschiedenen Facetten der Musette: Vom Glamour Girl in den ersten beiden Akten zum verzweifelten Sarkasmus im dritten und der Empathie im vierten Akt. Ihrer über ein breites dynamisches Spektrum verfügenden Stimme zuzuhören ist sowieso stets ein Hochgenuss. Mimi ist in Leoncavallos Oper zu Beginn durchaus wohlauf, was Madelaine Wibom mit hellem, klarem Sopran und zauberhaftem Vibrato wohlklingend zum Ausdruck bringt. Rodolfo wird von einem Bariton gesungen (bei Puccini Tenor). Tobias Hächler spielt sympathisch zurückhaltend, sein grosser Moment im vierten Akt geht dadurch umso stärker unter die Haut. Marcello hat die grossen Arien zu singen, und Jason Kim tut das mit bruchlos geführter, den Raum herrlich erfüllender Stimme, ohne die geringsten Ermüdungserscheinungen. Bewundernswert! Schaunard ist (im Gegensatz zu Puccini) sehr präsent: Howard Quilla Croft zieht die Fäden mit bemerkenswerter Nonchalance.
Die Nebenrollen sind mit Martin Nyvall, Caroline Vitale und Boris Petronje ebenfalls sehr gut besetzt. Das Orchester unter Mark Foster spielt manchmal etwas gar polternd und laut, da wären in dieser farbenreichen Partitur vielleicht noch einige Zwischentöne zu entdecken gewesen.
Nelly Danker (Regie) und Werner Hutterli (Bühne) zeigen diese Welt der verlorenen Lebensträume sehr eindringlich auf. Die Bühne verengt sich zunehmend, genau wie das Leben der Bohémiens immer grauer und trister wird. Zum Schluss bleibt wohl kaum ein Auge trocken. Die Aufführung vermag echt zu rühren ohne kitschig zu sein. Das will etwas heissen!
Fazit:
Verdienstvolle Ausgrabung, diese Bohème ist Puccinis Werk durchaus ebenbürtig, wenn nicht gar in vielen Belangen überlegen.
Inhalt:
Ein Jahr aus dem Leben einer Gruppe von (Lebens-)künstlern, das so spöttisch und fröhlich, so voller Lebenslust und Ungebundenheit an einem Weihnachtsabend im Café Momus beginnt und mit ergreifender Tragik ein Jahr später zu Ende geht.
Der Dichter Rodolfo, der Maler Marcello, der Philosoph Colline und der Musiker Schaunard und seine Freundin Eufemia festen im grossen Stil, obwohl sie kein Geld haben. Bald stossen Rodolfos Geliebte Mimi und ihre Freundin Musette dazu. Marcello und Musette verlieben sich.
Musette kann ihre Miete nicht mehr bezahlen und mitsamt des hausrats auf die Strasse gesetzt. Trotzdem feiert die Clique eine rauschende Party, nun halt im Hinterhof. Die Ausgelasenheit findet ein Ende, asl die biederen Bürger dem Treiben Einhalt gebieten.
Schaunard trennt sich von der männerhungrigen Eufemia, Mimi haut mit einem reichen Banker ab, Musette erträgt die Armut nicht mehr und trennt sich von Marcello.
Wieder ist Weihnachten, die drei Freunde frieren und hungern (Colline taucht nicht mehr auf).
Mimi erscheint, schwer krank sucht sie eine Bleibe. Musette versetzt ihren Schmuck, um Medikamente und einen Arzt für ihre Freundin zu besorgen. Zu spät. Mimi stirbt.
Werk:
Jeder Opernfreund kennt Puccinis LA BOHÈME. Dabei war es Ruggero Leoncavallo, der Puccini auf den Stoff aufmerksam machte und ihm einen Librettoentwurf überreichte. Puccini zeigte sich nicht interessiert, machte sich aber heimlich trotzdem ans Komponieren und beauftragte seine eigenen Librettisten mit der Ausarbeitung des Textes. Als Leoncavallo davon erfuhr, begann er ebenfalls mit der Komposition. Manchmal spielt das Leben grausam: Puccini war zuerst fertig, seine BOHÈME kam in Turin 1896 zur Uraufführung, Leoncavallos Werk (Uraufführung 1897) hatte deshalb von Anfang an keine Chance. Zu Unrecht. Leoncavallos Oper ist bedeutend vielschichtiger, dramaturgisch weit interessanter, musikalisch von mindestens ebenbürtiger Qualität, meines Erachtens gar dem Werk Puccinis in vielen Bereichen überlegen. Leoncavallo komponiert Phrasen von eindringlichem Pathos, Auseinandersetzungen von dramatischer Durchschlagskraft, überzeugt aber auch in den ersten beiden Akten mit eleganter Salonmusik und raffiniertem Konversationston, in welchen er herrlich aufblühende Ariosi einflicht.

La Bohème von Ruggero Leoncavallo | Regie: Nelly Danke | Musikalische Leitung: Mark Foster | Luzerner Theater | Premiere Fr 24.04.09 | Weitere Vorstellungen bis 13. Juni 2009

Bern: A Midsummer Night's Dream, 25.4.09

A Midsummer Nights Dream

Stadttheater Bern

Dirk Bach und das Ensemble des Stadttheaters Bern verführen zu einem Sommernachtstraum voll knisternder Erotik.

Premiere: 25. April 2009

Musik: Benjamin Britten
Libretto: vom Komponisten und seinem Lebensgefährten Peter Pears (nach Shakespeare)
Uraufführung: 11. Juni 1960 in Aldeburgh, Grossbrittannien

Aufführungen in Bern:
25.4. | 2.5. | 13.5. | 20.5. | 28.5. | 6.6. | 10.6. | 16.6. | 19.6.09

Infos und Karten

Kritik:
Wenn man in der Schweiz in dieser an interessanten Aufführungen reichen Saison auch nur eine Opernproduktion gesehen haben muss, dann ist es dieser MIDSUMMER NIGHT’S DREAM im Stadttheater Bern.
Regisseur Anthony Pilavachi, das spielfreudige, junge Ensemble des Berner Theaters und das die nicht einfache Partitur differenziert auslotende Berner Symphonieorchester unter Dorian Keilhack, bereiten dem Publikum einen unterhaltsamen, erotischen Opernabend, der anlässlich der Premiere zu Recht heftig bejubelt wurde. Das Stadttheater Bern verfügt über das hochkarätige Ensemble, welches eine solch darstellerisch frische und glaubhafte Inszenierung überhaupt erst möglich macht. Nur zwei Gäste waren nötig, ein Countertenor (Robert Expert) für den Oberon und ein Schauspieler für den Puck (der deutsche Entertainer Dirk Bach). Sie fügten sich hervorragend in dieses traumhafte Ensemble ein.
Anthony Pilavachi blieb sehr eng an Shakespears Vorlage, diesem erotischsten Stück des grossen Dramatikers. Der Regisseur scheute sich nicht, die Begierden, die unerfüllten Wünsche und Sehnsüchte der Personen aufzudecken. Und dank den aussergewöhnlich starken (und auch attraktiven!) Darstellerinnen und Darstellern gelang ihm dies äusserst überzeugend. Ausgehend von einer Pantomime in einer Strassenschlucht (zweckmässige Bühne und wunderbare Kostüme: Tatjana Ivschina), wo ein Strassenkehrer (Dirk Bach) eher lustlos seiner Arbeit nachgeht, dann durch den Duft einer nachlässig weggeworfenen Blume in eine Art Tagtraum verfällt, entwickelt das Regieteam einen tiefsinnigen, von erotischem Zauber durchsetzten Reigen.
Dirk Bach ist vom ersten Augenblick an ein durch Mimik, Sprache und Gestik überragender, fantastisch witziger Puck, der ohne billigen, anbiedernden Klamauk auskommt. Es ist ein grosses Glück, ihn in dieser Rolle erleben zu dürfen. Doch auch die Mitglieder und Gäste des Berner Ensembles stehen nicht in seinem Schatten: Robert Expert vermittelt durch sein Spiel und die sanft geführte Countertenorstimme geschmackvoll die Androgynität des bisexuellen Oberon, Helène Le Corre ist eine bezaubernde Titania, die mit glockenreinen Koloraturen aufwarten kann, die Liebespaare (Andries Cloete, Qin Du, Robin Adams und Anne-Florence Marbot) kann man sich realer und aktueller kaum vorstellen. Ihre Liebesspiele – in allen möglichen Kombinationen(!), ihre Eifersüchteleien und Versöhnungen wirken ausgesprochen echt, sind von knisternder Erotik. Von umwerfender Komik sind die Szenen mit den Handwerkern: Carlos Esquivel ist ein herrlich tollpatschiger Bottom, Esel (der unglaublich lange braucht, um sich seines omnipotenten Gliedes bewusst zu werden) und Pyramus. Stuart Patterson ersingt sich einen Extra-Applaus für seine amüsante Darstellung der Thisbe. Richard Ackermann, Michael Leibundgut, Xavier Rouillon und Erwin Hurni komplettieren die lustige Truppe. Weniger Freude an diesem Spiel hat die arrogante, zickige Hippolyta von Claude Eichenberger, während ihr Theseus (Tomasz Slawinski) das Ganze mit viel Humor und Grossherzigkeit nimmt. Schlag Mitternacht ist der Traum der jugendlichen Liebeswirren vorbei, die Paare befinden sich nun mit Stützstrümpfen und Strickjacken im Altenheim. Oberon und Titania segnen ihre Träume, Puck, der Strassenkehrer fegt die letzten Traumpartikel fort … Ein traumhafter Opernabend geht zu Ende.

Fazit:
Diesen erotischen Traum MUSS man erlebt haben! Zauberhaft in jeder Beziehung!

Inhalt:
Der Elfenkönig Oberon begehrt den Lustknaben seiner Gattin Titania. Deshalb beauftragt er den Kobold Puck, seiner Gattin einen Saft in die Augen zu träufeln, damit sie sich in den erstbesten Dahergelaufenen verguckt. Gleichzeitig flüchten zwei Paare in den Zauberwald: Lysander und Hermia, weil sie vor dem strengen Vater Hermias fliehen, der ihre Beziehung nicht toleriert, sowie Demetrius und Helena. Helena liebt zwar Demetrius und folgt ihm wie ein Hündchen, er aber weist sie zurück, da er Hermia nachstellt. Nach Oberons Willen soll Puck nun auch dem Demetrius die Tropfen geben, damit er sich doch in Helena verliebt. Puck aber verwechselt Lysander und Demetrius. So beginnt ein Spiel um Irrungen und Wirrungen, echten und geträumten Leidenschaften, erfüllten und unerfüllten Begierden. Titania lässt sich dann mit einem Esel ein (einem Handwerker einer Schauspieltruppe, der von Puck mit den Attributen eines Esels ausgestattet wurde, Kopf und dauererigierter Riesenpenis). Zwischen den Liebespaaren kommt es zu neuen Kombinationen und entsprechenden Eifersuchtsszenen, Oberon kriegt zwar seinen Lustknaben, ist aber erbost über Pucks Fehlverhalten. Schliesslich muss er selbst wieder für Ordnung sorgen. Am Ende finden sich alle Paare wieder, der Traum ist vorbei.

Werk:
Brittens Oper ist eine Verbeugung vor seinem Landsmann Shakespeare und eine Verbeugung vor der Musikgeschichte und den Komponisten, die sich schon vor ihm mit dem Stoff auseinandergesetzt haben, von Purcell über Weber zu Mendelssohn, mit augenzwinkernden Schlenkern zu Donizetti (die Wahnsinnsszene der Lucia ist in dem Spiel Pyramus und Thisbe, welches die Handwerker am Hof des Herzogs von Athen aufführen, persifliert).
Britten stand für Aldeburgh nur ein relativ kleines Orchester zur Verfügung. Aber es gelang ihm auch mit dieser kleinen Besetzung eine poetisch schillernde, vielschichtige Partitur, beinahe wie ein Gemälde mit Pastellfarben. Die Orchestereffekte überlagern die Singstimmen nicht. So entsteht ein dem Sujet entsprechendes, zauberhaft-erotisches Geflecht. Beeindruckend ist die betont wirklichkeitsfremde musikalische Ausgestaltung der Elfenwelt mit Harfen, Celesta und Cembalo.

Musikalische Höhepunkte:
Introduktionen zu den Akten I-III, Waldstimmungen, Dämmerung, Nacht, Morgendämmerung
How now my love, Lysander-Hermia, Akt I
Welcome, wanderer, Oberon Akt I
Come, now a roundel, Titania und Elfen, Akt I
Injurious Hermia, Duett Helena-Hermia, Akt II
Quartett der Liebespaare, Akt III (herrlich aufsteigende Dur-Sequenzen)
Wall, full often, Arie der Thisbe, Akt III (Parodie auf Lucia…)

Zürich: Die lustigen Nibelungen, 28.4.09



Eine schmissige, burleske Operette von Oscar Straus, dargeboten von den Absolventen des Internationalen Opernstudios.
Premiere: 28. April 2009

Burleske Operette in drei Akten
Musik: Oscar Straus
Text: Rideamus, alias Fritz Oliven
Uraufführung: 12. November 1904, Carltheater Wien
Aufführungen in Zürich: Studiobühne des Opernhauses
30.4. | 2.5. | 8.5. | 10. 5. | 13. 5. | 15.5. | 17. 5. | 8.7. | 10.7.|
Infos und Karten

Kritik:
Die momentane Banken- und Finanzkrise ist nichts Neues: Schon in der vor gut hundert Jahren uraufgeführten Operette von Oscar Straus geht eine Bank pleite, die Rheingold Bank, auf welcher Siegfried den geklauten Nibelungenhort deponiert hatte. Der Rheingold Index auf dem Zwischenvorhang der Studiobühne des Opernhauses zeigt steil nach unten, nur leicht kaschiert von einem Lindenblatt.
Das Internationale Opernstudio brilliert mit dieser turbulenten, echt witzigen Parodie auf nationale Deutschümelei, Gewinnstreben, Nibelungentreue und die Persiflage von Wagners RING DES NIBELUNGEN.
Es gibt viel zu lachen in der Inszenierung von Gudrun Hartmann. Am Hof des Königs von Burgund hat sich eine gar groteske Verwandtschaft versammelt: Da ist die Memme Gunther, seines Zeichens König, im Hausdress oder mit langen Unterhosen, in die er sich vor lauter Angst vor der kämpferischen Brünhilde beinahe macht, seine Mutter Ute in Leopardenmantel und Hausschlappen, die versucht ihren Sohn unter die Haube zu bringen, seine Schwester Kriemhild, die lieber in der Boulevardzeitschrift GALA blättert, als sich um die Familienangelegenheiten zu kümmern, Papa Dankwart, der nur an seiner Bierflasche Interesse zeigt, der smarte Hagen, der nur mordet, wenn es sich auch finanziell lohnt, das Fräulein von Waldvogel, das immerhin in Wagners RING Partitur blättert und Ausflüge in den Orchestergraben unternimmt. Dazu gesellen sich noch ein rückgratloser Recke und der steife Held Volker. Ruth Schoelzel hat diese traurigen Figuren in herrlich passende, ihre Lächerlichkeit unterstreichende Kostüme gekleidet. Ebenso wie die beiden „Gäste“ am Hof, den langmähnigen, grosskotzigen Held Siegfried und den kühlen, rauflustigen Vamp Brünhilde. Auf der durch drei transparente Wände begrenzten Bühne (Bühnenbild: Sebastian Bogatu, spannendes Lichtdesign von Elfried Roller)) agieren und singen diese Personen mit einer erfrischenden Lässigkeit und turbulentem Spiel. Doch wird die Grenze zum billigen Klamauk nie überschritten.
Die Vorstellungen werden in unterschiedlichen Besetzungen gegeben werden. An der Premiere sang Kai Florian Bischoff mit wunderbar warmem Bariton den Gunther, Hélène Couture glänzte als etwas dümmliche Kriemhild, Daniel Golossov war der nonchalante Hagen (sein gesprochener „Credo“- Monolog verdient besondere Erwähnung), Stefanie C. Braun verbuchte die Lacher als bayerisch daher plappernde Brünhilde und Michael Laurenz Müller war ein sich betont lässig gebender, aber stimmlich souveräner Drachentöter Siegfried, Susann Kalauka gab, wie schon im Kinderring auf der grossen Bühne, das koloraturgewandte Waldvögelein. Hervorgehoben zu werden verdient auch Anja Schlosser als Mama Ute. Hoffentlich wird man ihr nach dieser Leistung vermehrt auf der grossen Bühne begegnen. (Sie hat ja bereits als Diana in LA FEDELTÀ PREMIATA überzeugt.)
Begleitet wurden diese lustigen Heldinnen und Helden von einem frisch aufspielenden, kleinen Orchesterensemble unter der mitreissenden Leitung von Thomas Barthel.
Fazit:
Frisch und leichtfüssig daherkommende Parodie und Persiflage aus dem silbernen Zeitalter der Operette.
Werk:
Einst ein Riesenerfolg in Berlin, wo man die parodistischen Anspielungen auf das Gewinnstreben der ausgehenden Gründerzeit, die kaiserlichen Anordnungen zum Massenmord (Niederschlagung des Boxeraufstands) und die Persiflage von Wagners Pathos sehr wohl verstand, geriet das Werk nach Protesten von deutsch-national gesinnten Gruppierungen zunehmend in Vergessenheit, ja die Intendanten fürchteten sich, es auf den Spielplan zu setzen. Als die Nationalsozialisten an die Macht kamen und den Heldentod als heilig erklärten, mussten Straus und sein Librettist ins Exil fliehen. Allmählich besinnt man sich zum Glück wieder auf die geistreichen Operetten aus der silbernen Ära, die mit schmissigen Melodien und unerwarteten musikalischen Wendungen nie sentimental wirken.
Musikalische Höhhepunkte:
Da wuchs in Isenlande, Ballade des Gunther, Akt I
Einst hatte ich Geld und Gut, Siegfried und Ensemble, Akt I
Kreuz-Millionen-Donnerwetter, Finale Akt I
Brünhilde, mach auf, Terzett, Akt II
Nun so lasst uns denn Siegfried ermorden, Reigen, Akt III

Mittwoch, 22. April 2009

Berlin, 21.4.09: MACBETH




Sylvie Valayre habe ich nun seit etwa vier Jahren nicht mehr live gehört. Eigentlich war ich noch nie einer ihrer grossen Verehrer. Für meinen Geschmack sang sie oft einfach nur laut. Dies war gestern Abend nicht der Fall. Ihre Lady war äusserst differenziert und ausdrucksstark, genau so hässlich in der Stimmgebung, wie Verdi sich das gewünscht hatte. Für meinen Geschmack an manchen Stellen zu hässlich. Das Brindisi im 2. Akt allerdings sang sie hervorragend, die letzte Szene dann allerdings (Una macchia...) klang zu brüchig. Ist sie vielleicht doch etwas ausgesungen? Vladimir Stoyanov hingegen war ein überragender Macbeth, von beeindruckender Intensität. Die Inszenierung des ehemaligen Hausherrn Peter Mussbach gefiel mir sehr gut, das Volk gesichtslos wie ausserirdische Ameisen, die Lady in ihren verschiedenen Aufmachungen, vom Glamourgirl zur hässlichen Hexe, der archaische Macbeth. Die riesige, mit roten Teppichen und Hügeln gestaltete Bühne und das geheimnisvolle Licht erzeugten eine spannende, packende Wirkung. Fischesser war als Banquo weit besser als in der Rolle des Ramphis, Rügamer sang die Arie des Macduff wie ein Kunstlied. Eher fragwürdig...Erschreckend schwach besetzt für ein solches Haus waren die Nebenrollen.
Salemkour dirigierte wieder mit einer Tendenz zu forcierter Lautstärke, das schadet diesem Werk allerdings weniger als es dies der AIDA tat.

Sonntag, 19. April 2009

Berlin, 18.4.09: UN BALLO IN MASCHERA





Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne, Kostüme
Chöre
Thomas Richter
Choreographische Mitarbeit
Andria Hall
Gustaf III, König von Schweden
Graf René Anckarström
Amelia, seine Gattin
Ulrika Arvedson, Wahrsagerin
Oscar, Page
Christian, ein Seemann
Graf Horn
Graf Ribbing
Der Oberste Richter
Diener
Orchester
Chor
Chor der Deutschen Oper Berlin

Ein rundum geglückter Verdi Abend in der Deutschen Oper Berlin. Die Inszenierung von Götz Friedrich legt das Gewicht auf den Theaterkönig Gustav III., seine Vorlieben für Verkleidungen und das Spiel mit seiner Bisexualität. Dafür ist Martina Welschenbach als Page Oscar mit ihrem schlanken, jungenhaften Körper die ideale Interpretin, stimmlich trumpfte sie mit hellen, glockenreinen Koloraturen und durchschlagskräftiger Stimme in den Ensembles, denen sie damit Glanzpunkte aufsetzte. Angela Marambio wusste ebenfalls zu überzeugen, ihre kräftige Sopranstimme setzte sie gekonnt ein, fand aber auch im dritten Akt (Morrò...) zu sehr berührenden Tönen. Kamen Chanev glänzte mit wohl gesetzten Spitzentönen und herrlichem Legato als König Gustav, sein Freund und Mörder Renato war bei Lado Ataneli mit seinem warm strömenden, herrlichen Verdi Bariton bestens aufgehoben. Elisabetta Fiorillo hat genau die guttural tiefe Stimmfarbe, die es für die Ulrica braucht. Einige Koordinationsprobleme Orchester-Bühne werden sich bestimmt im Verlauf der Aufführungsserie noch legen. Jedenfalls dirigierte Jurowski mit kräftigem, vorwärtsdrängendem Impetus. Begeisterter Applaus.

Freitag, 17. April 2009

Berlin, 16.4.09: MARIE VICTOIRE





Die lange Zeit in den Archiven schlummernde Oper von Ottorino Respighi ist nun an der Deutschen Oper Berlin in deutscher Erstaufführung zu erleben, beinahe hundert Jahre nach der Entstehung. Die Uraufführung fand erst 2004 in Rom statt. Das Werk, dem Verismo zuzuordnen, mit deutlicher Verwandtschaft zu Giordanos Andrea Chénier und Madame Sans Gene, Anklängen an Debussy und Richard Strauss, sehr tonal gehalten, besticht durch Respighis gekonnte Orchestrierungskunst. Der sinfonische Teppich, den er ausbreitet, ist weit überzeugender als die Behandlung der Gesangsstimmen, die Vokallinien wirken eher spröde, ein echter Ohrwurm fehlt, wie ihn Respighis Zeitgenossen immer wieder verstanden haben, in ihre Werke einzuflechten. Hinzu kommt dass die DOB nicht gerade die erste Garde von Sängerinnen und Sängern aufbieten konnte oder wollte. So kämpfen die Sänger doch mit dem üppigen Orchesterklang und können sich nicht angemessen entfalten. Dadurch bleiben die Figuren leider eher blass, was durch die brave Personenführung (Inszenierung Johannes Schaaf) noch unterstützt wird. Das Drama findet nur im Orchestergraben statt, da aber umso intensiver. (Dirigent: Michail Jurowski). Das Inszenierungsteam findet zwar zu stimmigen, schönen Bildern auf und mit der auf der Drehbühne aufgebauten Ruine, doch bewegt verlässt man die vierstündige Aufführung nicht. Markus Brück gibt einen stimmlich überzeugenden Maurice, bleibt der Rolle aber darstellerisch einiges schuldig. Takesha Meshé Kizart singt mit angenehm timbrierter Stimme die Marie, sie vermag als einzige wirklich zu berühren, der junge Tenor Germán Villar gerät mit schönem Material doch auch an dynamische Grenzen. Stark besetzt ist der Cloteau mit Stephen Bronk.
Das Libretto (Guiraud hat sein eigenes Schauspiel zum Opernlibretto umgeformt) weist einige dramaturgische Schwächen, gar Peinlichkeiten auf. Wenn Respighi ein starker Autor zur Seite gestanden wäre, dann hätte die Oper bestimmt die Voraussetzungen zu einem Renner gehabt. So wird es bei einem lohnenswerten, aber nicht nachhaltigen Wiederbelebungsversuch bleiben.

Donnerstag, 16. April 2009

Berlin, 15.4.09: Armida





In jeder Beziehung sehens- und hörenswert ist diese Neuproduktion an der Komischen Oper Berlin. Erstens weil Gluck viel zu selten gespielt wird und ARMIDA zu seinen stärksten Werken zählt und zweitens weil die Inszenierung von Calixto Bieito sehr ästhetisch ist und und die Psyche, die Ängste und das Begehren dieser Frau genau analysiert.
Maria Bengtsson ist stimmlich und darstellerisch ein Wucht. Sie singt die riesige Rolle mit einer bewundernswerten Gestaltungskraft, ausgeglichener, sehr instrumental und sauber geführter Stimme, mit unendlich ausgefeilten dynamischen Abstufungen.
Hervorragend auch das Orchester unter dem subtilen Dirigat von Konrad Junghänel.
Unbedingt empfehlenswert

Das Haus empfiehlt den Besuch ab 16 Jahren.

Hier noch der Pressetext der Komischen Oper zum Werk:
Dass Liebende in der Oper gegen schwerste äußere Widerstände kämpfen müssen und sich doch die Macht der Gefühle wider alle Vernunft behauptet, ist uns vertraut. Was aber passiert, wenn der Herzens-Widersacher die eigene Angst ist, die Angst vor Kontrollverlust und den eigenen Abgründen?
Die schöne Armida hat, mit höllischen Zauberkräften begabt, das Heer der feindlichen Kreuzritter außer Gefecht gesetzt. Nur der kühnste der christlichen Helden, Rinaldo, hat ihr widerstanden. Zerrissen zwischen Faszination und Wut schwört sie Rache. Als sie Rinaldo endlich in ihrer Gewalt hat, ist Armida aber nicht im Stande ihn zu töten. Aus Scham über diese Schwäche lässt sie Rinaldo von ihren Dämonen »ans
Ende der Welt« bringen, ruft ›Den Hass‹ an, der sie von ihrer Liebe befreien soll, und muss schließlich doch vor den ungewohnten Gefühlen kapitulieren. Nach einer kurzen Zeit des gemeinsamen Glücks bewahrheitet sich allerdings der Fluch des ›Hasses‹:
Rinaldo, von den Rittern bei seinem Ehrgeiz gepackt, verlässt sie, um sich wieder männlichen Aufgaben zu widmen.
Gluck entwirft mit atemberaubender Dramatik und feinsten musikalischen Stimmungswechseln ein höchst spannendes psychologisches Drama, um Liebe als Gefühl zwischen Selbstaufgabe und Selbstverwirklichung zu diskutieren. Mit seiner fünften Reformoper setzen wir – nach Iphigenie auf Tauris – unsere Beschäftigung mit diesem sehr zu Unrecht vernachlässigten Komponisten fort. »Ich bekenne, dass ich gern meine Karriere mit dieser Oper beenden würde«, schrieb Gluck. Zum Glück hat er es nicht getan.

Dienstag, 14. April 2009

Berlin, 13.4.09: AIDA


Auch hier wieder der Komponist auf der Bühne, nur diesmal nicht als Marionette sondern in Fleisch und Blut spaziert Verdi durch das ägyptische Museum, in welchem Pet Halmen 1995 seine Inszenierung der Aida ansiedelte.
Von der Ausstattung her ergaben sich schöne Bilder, in Blau, Weiss und Gold, über die Personenführung möchte ich nicht urteilen, da das Aufführung Nr.57 seit der Premiere war und sich besetzungsmässig sicher viel geändert hat. Es wurde eine sehr statische Vorstellung, vorwiegend an der Rampe gesungen, mit Gesten wie einst Maria Chiara sie drauf hatte: Arme ausbreiten, Colliergriff, Arme in die Höhe, in die Knie sinken.
Gesungen wurde laut, ganz nach der Devise: Seht und hört was ich drauf habe. Obwohl im Programmheft die Intimität des Werks herausgestrichen wird und die szenische Aufführungspraxis mit dem Hang zur Gigantomanie verurteilt wird, war von dieser Kritik nichts zu spüren. Norma Fantini fand kaum je zu Piani, Walter Fraccaro überhaupt nie, vom Pianissimo Schluss des "Celeste Aida" muss man heutzutage wohl nur träumen. Anna Smirnova war auch sehr laut und guttural, überzeugte aber stimmlich am meisten. Christoph Fischesser hatte nichts bedrohlich-autoritäres als Ramphis und auch Alexandru Agache war ein eher eindimensionaler Amonasro. Julien Salemkour dirigierte sehr grobschlächtig polternd.

Berlin, 12.4.09: LOHENGRIN



Die mit Spannung erwartete Festtagspremiere an der Staatsoper:
Besuchte Vorstellung, 12.4.09
Mit der Regie von Herheim konnte ich mich nicht recht anfreunden. Zu viel intelletktuelles Brimborium wurde über die Handlung gestülpt - von der Genesis über Philosophen zum Berliner Krieg der Opernhäuser-, Theater auf dem Theater (ich habs so was von satt, das ist dermassen abgenudelt), Marionetten des Komponisten, die sich im zweiten Akt in den Komponisten selbst verwandeln um dann wieder zu Marionetten zu werden. Der ausserirdische Supermann Lohengrin, der am Schluss als Marionette zum Himmel fährt um dann gleich wieder auf den Bühnenboden zu krachen, die ganze Welt am Schluss erdrückt von der Lichtmaschinerie - war das etwa Götterdämmerung? Nun ja, sie haben auf dem Bretterboden in putzigen Kulissen mal ein bisschen Lohengrin gespielt.
Einzig die Videoprojektionen waren überzeugend, etwa wie Ortrud zu einem Baum wächst oder die Erscheinung des Schwanenritters aus dem Kelch.
Gesungen wurde allerdings hervorragend. Klaus Florian Vogt, relativ kurzfristig eingesprungen, sang mit heller, sauber und klar geführter Stimme einen vortrefflichen Lohengrin, die Diktion war geradezu schulbuchmässig. Keine Ermüdungserscheinungen, keine tenoralen Schluchzer und andere Unartigkeiten... dass ein kleiner Teil des Publikums ihn am Schluss kräftig ausbuhte, war völlig unverdient. Zum Glück schrien 99% der Besucher BRAVO und Barenboim nahm in beschützend bei der Hand. Dorothea Röschmann sang zu Beginn mit zu viel Vibrato und zu belegter Stimme, sie steigerte sich allerdings zum Schluss hin gewaltig, der dritte Akt geriet ihr ausgezeichnet. Überzeugend auch Michalea Schuster als Ortrud und Gerd Grochowki als sehr starker Telramund. Markus Brück gab den Heerrufer - äh den Berliner Bär und den tuntigen Pavarotti Verschnitt.
Barenboim und die Staatskapelle brachten das Werk wunderbar zum klingen.