Samstag, 27. Dezember 2008

Berlin: DER ROSENKAVALIER, 26.12.08

Bilder mit freundlicher Genehmigung: @bettina stoess  www.moving-moments.de

Kurz: 1. Akt zu schleppend dirigiert, Stimmen zwar sehr schön, aber zu klein für das Haus. Ruxandra Donose verfügt über zu wenig dramatischen Impetus für den ungestümen Liebhaber, Nancy Gustafson als Marschallin wirkt etwas kühl. Hawlata ist ein guter Ochs, ohne zu chargieren.
2. Akt besser, Ulrike Helzel als Annina hervorragend, Hartelius glänzt als Sophie
3. Akt: Terzett zauberhaft - endlich zeigen die Sängerinnen, was sie können

Anmerkungen:

Da soll noch einer sagen, die heutige Jugend wisse sich nicht mehr zu benehmen. Was sich die Alten zum Teil herausnehmen, ist viel schlimmer als nur mal die Nike beschuhten Flossen auf die Sitzpolster in der S-Bahn zu legen oder auf den Boden zu spucken.
Beispiel gefällig? Bitte sehr: Gestern Abend in der Deutschen Oper Berlin, mein 22. ROSENKAVALIER (Nancy Gustafson, Ruxandra Donose, Malin Hartelius, Franz Hawlata /Peter Schneider am Pult, in der wunderschön stimmigen Inszenierung von Götz Friedrich).
Mitten in der Arie des Sängers im ersten Akt kramt meine ca. 70jährige Nachbarin in ihrer Tasche und zieht geräuschvoll ein Tempo heraus, in welches sie dann ausgerechnet während dieser 2 Minuten unaufhörlich lautstark reinrotzt. Widerlich.
Keine fünf Minuten später, als die Marschallin eben zu ihrem schwermütigen Monolog über das Älterwerden ansetzt ("Mein lieber Hyppolit, heut´haben sie ein altes Weib aus mir gemacht..."Wink krächzt so ein alter Sack hinter mir: "Kann mir mal jemand aus dem Mantel helfen?". Die Marschallin auf der Bühne singt zwar noch zu ihrer Bagagi: "Abtreten die Leut´", doch der Alte mosert weiter rum, wie unbequem er hier sitze und dass ihm zu warm sei. Unmöglich.
Da setzt die Marschallin auf der Bühne zum zweiten Teil des Monologs an, sinniert über die Vergänglichkeit der Zeit, das Orchester spielt ganz leise, man hört die Schläge der Uhr und des Herzens ("Manchmal steh ich auf mitten in der Nacht und lass´die Uhren alle, alle stehn."Wink Genau in diese Stille hinein kramt eine andere Alte in der Reihe direkt hinter mir in ihrer riesigen Tasche und sucht nach Bonbons. Selbstverständlich hat sie ihr gesamtes Tafelsilber mit in die Oper geschleppt, das klimpert und klingelt, dass man meint, gleich kommt das Christkind. Doch diesen Effekt hat Richard Strauss bestimmt nicht komponiert - er macht an dieser Stelle auch keinen Sinn. Doch die Alte scheint´s nicht zu stören, sie wühlt minutenlang weiter in ihrer abgründigen Tasche.
Zum Glück kam ich in der Pause ins Gespräch mit einem Ehepaar, dem die Vorstellung überhaupt nicht gefiel. Sie boten mir ihre Plätze in der ersten Parkettreihe an. Somit konnte ich das herrliche Terzett im dritten Akt ("Marie Theres..Hab mir´s gelobt"Wink ungestört geniessen.
Für heute Abend habe ich noch eine Karte für das poetische SCHLAUE FÜCHSLEIN von Janacek. Hoffentlich ist dann nicht wieder Vorstellung fürs Altenheim.


Euch allen einen unaufgeregten Jahreswechsel und ein gesundes, rotzfreies neues Jahr

Freitag, 12. Dezember 2008

Zürich: TRISTAN UND ISOLDE, 10.12.08




Tristan und Isolde

Opernhaus Zürich

Handlung in drei Aufzügen
Musik: Richard Wagner
Text : vom Komponisten, nach Gottfried von Strassburg
Uraufführung: 10. Juni 1865, Nationaltheater, München
Aufführungen in Zürich Mi, 10.12.08 | So, 14.12.08 | So, 21.12.08 | Di, 6.1.09 | Sa, 10.1.09 | Mi, 14.1.09 | So, 18.1.09

Weitere Infos und Karten



Die hohen Erwartungen werden nicht enttäuscht. Wagners unendliche Melodien, dargeboten von Spitzenkräften. Einmalig schön musiziert und packend inszeniert!

Kritik:
Einen derart spannenden TRISTAN hat man wohl noch selten gesehen. Regisseur Claus Guth und Bühnen- und Kostümbildner Christian Schmidt verlegen das Geschehen in die Entstehungszeit und den Entstehungsort der Oper – die Villa Wesendonck in Zürich – und nehmen dabei den von Wagner gewählten Titel „Handlung“ ernst. Christian Schmidt hat eine schlichtweg geniale Bühnenkonstruktion auf die Drehbühne des Opernhauses gezaubert: Zimmerfluchten und Gänge einer herrschaftlichen Villa, aus welcher es für die Liebenden keine Fluchtmöglichkeiten gibt. In einer erstarrten Gesellschaft werden sie zu Aussenseitern, doch ein Entrinnen ist ihnen erst im Tode möglich.
Musikalisch und szenisch passt alles hervorragend zusammen: Dirigent Ingo Metzmacher breitet einen Klangteppich aus, der nie pastos, breiig oder dick wirkt, die herrlichen Motive blühen wunderbar klar und transparent auf, das Orchester spielt auf allerhöchstem Niveau, die Tempi sind weder zu langsam noch zu schnell, hier wurde mit grösster Sorgfalt gearbeitet. Auf diesem perfekten Klangteppich wachsen sängerische Höchstleistungen: Nina Stemme dürfte in der Rolle der Isolde zur Zeit kaum zu übertreffen sein. Die Stimme strahlt und funkelt in allen Lagen, mühelos steigert sie sich in ekstatische Ausbrüche, macht aber auch subtile Zwischentöne hör- und erlebbar. Als Tristan hat man Ian Storey verpflichtet: Ein Glücksfall. Er legt die Rolle seiner Stimme entsprechend eher lyrisch an, gestaltet sehr differenziert, mit tiefem Textverständnis und hat dann doch die Kraft für die mörderischen Ausbrüche im Fieberwahn des dritten Aktes. Brangäne ist als alter ego der Isolde angelegt, ein psychologisch einleuchtender Einfall des Regisseurs. Michelle Breedt zeichnet sie stimmlich und darstellerisch begeisternd. So wichtig kam einem Brangäne noch in keiner Inszenierung vor. Die Rolle erfährt hier eine erhellende Aufwertung. Wie sie in ihrem „Einsam wachend“ langsam aus dem dunklen Flur geschritten kam und wieder in der Dunkelheit verschwand war – nicht nur stimmlich, aber auch – atemberaubend. Martin Gantner debütierte mit einem herrlich sarkastisch klingenden Kurwenal im ersten Akt, der im dritten Akt zum desillusionierten, gelangweilten Penner mutierte. Auch dies ein wunderbarer Regieeinfall. Alfred Muff in der Rolle des betrogenen Königs Marke (Otto Wesendonck) bot darstellerisch und interpretatorisch ebenfalls eine tolle Leistung, nur die Intonation schien an manchen Stellen etwas getrübt.
Bewegend war dann vor allem das Schlussbild: Während sich Isolde nach einem alles überstrahlenden Schlussgesang zum toten Tristan auf den Tisch legt, welcher lange Zeit so trennend zwischen ihnen stand, streckt Brangäne zögernd ihre Hand nach dem gebrochenen Marke aus – ein Zeichen des Trostes oder wird ihr ein ähnliches Schicksal wie Isolde blühen?
Eigentlich hat man nicht erwartet, dass Wagners TRISTAN als bürgerliches Trauerspiel à la Ibsen in einem derart konkreten Ambiente funktioniert, das dem Betrachter wenig Raum für eigene Gedanken und Gefühle lässt. Man wurde eines Besseren belehrt. Ein wunderbarer, berührender und ungemein spannender Abend.

Fazit:
Musikalisch und szenisch wie aus einem Guss. Absolutes Spitzenereignis!

Inhalt:
Vorgeschichte:
Tristan tötet im Befreiungskampf um Cornwall den Iren Morold und schickt seinen Kopf dessen Verlobter Isolde nach Irland. Auch er selbst wird im Kampf schwer verwundet und lässt sich von der in heilenden Künsten bewanderten Isolde behandeln. Diese erkennt in ihm jedoch den Mörder ihres Verlobten, vermag es aber nicht, ihn zu töten.
Tristan kommt erneut nach Irland und nimmt Isolde als Friedenspfand für seinen König (Marke) mit.
Oper:
Auf dem Schiff überhäuft Isolde Tristan mit bitteren Vorwürfen. Sie weigert sich an Land zu gehen, wenn Tristan nicht mit ihr den Sühnetrunk zu sich nehmen werde. Isoldes Vertraute, Brangäne hat jedoch den Todestrunk mit dem Liebestrank vertauscht. Tristan und Isolde gestehen einander ihre Liebe.
Isolde, unterdessen König Markes Gemahlin, erwartet Tristan voller Ungelduld im Garten. Die beiden Liebenden vereinigen sich in einem ekstatischen Rausch und hören nicht auf Brangänes Warnrufe. Von Melot, einem alten Kampfgefährten Tristans, herbeigrufen, erscheint Marke, der sich bitter enttäuscht zeigt über den vermeintlichen Treuebruch seines Helden Tristan. Mit einem letzten Kuss für Isolde provoziert Tristan Melot. Dieser verwundet ihn schwer.
Tristan wird von seinem Getreuen Kurwenal auf die Burg seiner Väter gebracht. In Fieberfantasien sehnt er seine Heilerin und Erlöserin Isolde herbei. Kurwenal hat nach Isolde geschickt, ihr Schiff legt endlich an, doch zu spät. In Isoldes Armen stirbt Tristan. In einem zweiten Schiff erreichen auch König Marke, Melot und Brangäne die Burg. Kurwenal erschlägt Melot, wird aber selbst auch tödlich verwundet. Marke, nun von Brangäne über die Zusammenhänge aufgeklärt, beklagt die Toten.
Isolde sinkt in visionärem Wahn über Tristans Leiche: „Ertrinken, versinken, unbewusst – höchste Lust!“ lauten ihre letzten Worte.

Werk:
Fünf Jahre dauerte es nach der Fertigstellung der Komposition bis zur Uraufführung in München. Wien brach die Produktion nach 77 Proben ab, das Werk galt als unspielbar. Die immensen Anforderungen, welche an die beiden Interpreten der Titelpartien gestellt werden, erfordern Sänger allergrössten Formats.
Wagner hat in seinem wohl schönsten Werk private Konflikte (seine Beziehung zur Frau seines Mäzens Wesendonck) verarbeitet und auf wunderbare Weise sublimiert. Ausgehend vom berühmtesten Akkord der Musikgeschichte, dem Tristan-Akkord F-H-Dis-Gis entwickelt er ein Musik voller Trugschlüsse, chromatischen Wendungen, raffinierten Übergängen, angepeilten und doch nie erreichten Auflösungen, welche ein wahrhaftes Versinken in der Musik ermöglichen. Diese unendliche Melodie voll aufgebauter Spannung, die sich selten löst, übt auf das Ohr eine ungeheure Sogwirkung mit Suchtpotential aus.

Höhepunkte:
Vorspiel mit Tristan Akkord
O sink hernieder, Nacht der Liebe, grosse Szene Isolde-Tristan, Aufzug II
Mild und leise, wie er lächelt, Schlussszene der Isolde, Aufzug III